Christl Greller
„und fließt die zeit wie wasser wie wort“
Gedichte
Edition lex list 12
ISBN 978-3-99016-145-6
Manchmal denkt man sich, das kann doch nicht wahr sein,
schon wieder ein Gedichtband am Schreibtisch. Und denkt womöglich weiter,
„haben die Lyriker noch immer nicht alles ausgeschöpft, was an Poesie vorhanden
ist?“
Ja, hin und wieder ist der Gedanke da, dass dieses oder
jenes Buch besser nicht geschrieben worden wäre, man denkt an die Bäume und
anderen Ressourcen die dafür dran glauben mussten. Hin und wieder ist aber ein
Buch dabei, das von vornherein solche Gedanken verbietet: Man schlägt es auf,
beginnt zu blättern, zu lesen und stockt. Stockt, liest nicht weiter, schaut
auf die Zeilen und sieht vor seinem inneren Auge Bilder entstehen. Man hat
wieder ein Buch erwischt, das es wert war gedruckt zu werden, wo keine Gedanken
an vergeudete Bäume auftauchen. Zugegeben, sehr oft ist das nicht mehr der
Fall, es scheint doch so zu sein, dass Lyrikern die Poesie ausgeht oder zumindest abhanden kommt.
Sicher, „man“ hat sich selber
auch einmal an Gedichten versucht, aber bald festgestellt, dass andere Formen
der Sprache mehr konvenieren, besser liegen, leichter zu handhaben sind. Ja,
genau das! Es gibt in der deutschen Literatur nichts was schwieriger ist als
(noch immer) Gedichte zu schreiben! Nicht nur von Goethe heißt es, er habe
schon alles gesagt! Welche Fülle, welchen Schatz an Lyrik haben uns die Poeten
aller Zeit bis herauf zu den Lebenden hinterlassen, da ist es wirklich schon
einem legendären Sechser mit Jackpot zu vergleichen, wenn ein Gedichtband
erscheint, der die eingangs geschilderten Symptome erzeugt: Lesen, innehalten,
stocken, Bilder aufbauen lassen, zurückblättern, all das, was einem Leser von
Gedichten diese Tätigkeit so anregend macht.
Der Leser folgt der Autorin
beispielsweise „unters dach“ (Seite 17) und findet in der Aneinanderreihung von
solch unpoetischen Begriffen wir leiterstiege, altholz, gefügt, gezimmert,
lackspritzern, brandspuren, usw. eine Poesie vor, die bezaubert. Und pflichttreue
Stufen, die in Halbtonschritten aufwärts... Ja, das ist Poesie. Da lohnt es
sich sitzen zu bleiben, das Bild vor sich entstehen lassen und weiterzeichnen.
Auf Seite 45 kommt „wolkensilber“ – welch gefährliches, weil abgedroschenes
Bild! Und was macht die Dichterin daraus! Fünf oder vielmehr fünfeinhalb
Zeilen, die mit den Worten enden: ...dann glück. Welch Wagnis! Glück in einem
Gedicht des 21. Jahrhundert anzusprechen und dann noch dazu in einem so
einfachen Bild wie in diesem Poem!
Zentrifugal, Seite 80 lässt
uns wieder eine ganz andere Christl Greller schauen: „Durch Drehtürenkreisel
gehen, rund und rund, und bist eine andere, auf der anderen Seite - und dennoch
dieselbe. ... dennoch dieselbe, bist eine leichtere, auf der anderen Seite.“
Welche tiefe Einsicht! Und gleich auf der daneben liegenden Seite (81) die Sonntagsstadt. Wer erinnert sich nicht an
die „sumer in bradnsee“? Bilder stehen auf, Erinnerungen werden lebendig. Diese
Rezension wird Mitte Dezember geschrieben, daher ist es naheliegend auf das
Gedicht auf Seite 89 hinzuweisen: Dinner for one (self)
So präzise ist die Situation
beschrieben, wenn es fällig oder notwendig wird, einen neuen Kalender
aufzuhängen oder die Termine darin einzutragen: „die liste der pläne, der
absichten, vorsätze – und ich will sie abarbeiten mit aufgestrickten ärmeln.
Drei! Hundert! Fünf! Und sechzig chancen! Dann wieder Dezember!“
Liebe Christl Greller! Bei
unserem letzten persönlichem Treffen (26. November im Palais Niederösterreich)
da hattest Du so einen finsteren Gesichtsausdruck und dann lese ich wenige Tage
darauf diesen wunderbaren Gedichtband. So schön! Noch etliche solcher Bücher
wünsch ich mir! Auch wenn ich bereits den Vorsatz gefasst habe, keine weiteren
Bücher bei mir einzureihen, da werde ich gerne wortbrüchig!
Schön, dass Du schreibst!
Hans Bäck
Kapfenberg
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