Sonntag, 28. August 2022

Buchvorstellung: "Wie Anne-Sophie ihre Angst verlor" - Roman von Michel Tapiòn

 myMorawa
ISBN 978-3-99139-195-1

NEIN!!!

So darf man keinen Roman schreiben!

 

Warum eigentlich nicht? Es ist die Entscheidung jedes Autors was und wie er schreibt!

Also, auch hier, natürlich darf man einen Roman auch so schreiben!

Und noch dazu, wenn man damit etwas bezweckt - oder im Schilde führt.

Der Autor beginnt seinen Roman mit Schilderungen der Fahrt nach Südfrankreich, nach Montpellier, dem Aufenthalt dort, das Sprachstudium, dem Treffen der Kurskollegen, nein der Kolleginnen! Und schon sind die ersten Weichen gestellt.

Was soll man als älterer Herr machen, umgeben von jungen neugierigen Damen im besten Alter (wann haben diese das eigentlich nicht?) und vor allem einer davon, die sehr zurückhaltend agiert, aus der ehemaligen DDR stammend, auch den Kurs besucht. Daher sei dem Autor der Trick entschuldigt, dass er beginnt, wie in einem Schulaufsatz zu schreiben! Er hat es ja mit mehr oder weniger Schülern zu tun!

Das ändert sich im Laufe der Geschichte zusehends und damit auch der Schreibstil. Also sei das als Gestaltungselement gestattet und

 

JA!!!

So darf man einen Roman auch schreiben!

 


Der Held, eigentlich ist er ein typischer Antiheld, beginnt seine Kommilitionen kennenzulernen, nimmt sich einer ganz besonders an (weil er erkennt, dass diese Zuwendung braucht??). Wir lernen so nebenbei französische Lebensart kennen, die Küche Südfrankreichs wird uns in den höchsten Tönen gelobt, die Schönheiten Montpelliers vorgeführt. Also kein Grund, mit dem Buch unzufrieden zu sein.

Wenn!!!

da nicht wären, die Fehler, die den Leser einfach ärgern.

Auf Seite 9 beginnt es schon, da wird eine Zwischenmalzeit geschildert, die aber auch in Frankreich ganz sicher eine Zwischenmahlzeit ist. Auf der Seite 32 nehmen die Beiden unter PLANTANNEN  platz, um sich im Schatten zu erholen. Als Leser weiß man natürlich, dass damit ganz einfach Platanen gemeint sind. Da wird es ärgerlich, denn auf der Seite 2 im Impressum ist ausdrücklich ein Lektorat angeführt, dass kann daher für etwaige zukünftige Verwender ein Hinweis sein, dieses nicht in Anspruch zu nehmen. Es gibt eine Reihe weiterer Fehler, die einfach nicht durchgehen dürften( Seite 52, Seite 55). Doch das ist eine Angelegenheit des Autors mit dem Dienstleister! Jedenfalls‚ für Interessierte auch ein Hinweis, bei der Auswahl von Lektoraten sorgfältig vorzugehen.

Doch nun zum Roman.

Georg, der ältere Protagonist und Sophie erleben eine Sommerliebe, die etwas eigenartig gestaltet ist und auch abläuft, aber trotzdem nicht ohne Folgen bleibt. Geraume Zeit später trifft die Anne-Sophie mit dem Baby am Arm in der Grazer Wohnung des Georg ein, wo natürlich sofort die angetraute Ehefrau Astrid aus allen Wolken fällt, denn davon hatte IHR Georg nichts erzählt. Jedenfalls Astrid ist eine moderne Frau, die dem neuen Glück nicht im Wege stehen will (so nach der Art, was kann das Baby dafür, wenn der Mann nicht …) Einvernehmliche Scheidung, komplizierter Aufbau einer neuen Existenz, Ausbildung für Anne-Sophie am Bauhaus in Dessau organisieren, alles klappt, die Schwiegereltern in Magdeburg sind voll Freude, dass die Tochter trotzdem usw. sie helfen über die ärgsten Probleme hinweg, denn die Lehrerpension des Georg – nun ja, für alles wird diese nicht reichen. Zum Abschluss des Studiums muss Anne-Sophie zu einem Praktikum ins Ausland und entscheidet sich, eh klar, für Frankreich. Alles geht gut, bis sie von einer Freundin zu einer Party überredet wird, die auch wieder nicht ohne Folgen bleibt.

Zurück in Dessau, konsolidiert sich die junge Familie, der neu dazugekommene Felix wird integriert, das erste Kind, das Mädchen Kathryn kommt in die Pubertät, all das geschieht sehr gedrängt, der Autor nimmt sich hier nicht mehr die Zeit, den Leser mehr wissen zu lassen. Es kommt nur mehr das Allernotwendigste vor (ob das so notwendig für die Geschichte ist, soll jeder Leser selbst beurteilen), und es endet mit einem versöhnlichen Ausklang in einem Ferienlager an einem der Kärntner Seen, wo sich die karitative Seite des Georg noch einmal zeigt, und er einen jugendlichen Freund der Kathryn aus dessen miserablen Milieu herausholt und ihm die heile Welt bietet. Um die Titelfeststellung zu beantworten: Anne-Sophie hat ihre Angst verloren, das schon, aber der Weg dorthin ist nicht jedermanns/jederfraus Sache.

 

Also, um auf das Eingangs geschriebene NEIN, zurück zu kommen, man kann schon so auch Romane schreiben, wenn auch viele Autoren das eine oder andere ganz unterschiedlich angehen würden.

Und noch etwas: Bei dieser Art von Verlagen, liegt wirklich die gesamte Verantwortung beim Autor. Wenn der einen Fehler übersieht, in diesem Verlag geschieht nichts, absolut nicht, um diese zu finden oder gar zu beheben. Das müsste für Autorenkollegen eine Warnung sein. Und noch eine weitere Erkenntnis, traue keinem Lektoratsergebnis und sei es noch so teuer!Vorab daher prüfen, Referenzen  einholen, Proben liefern lassen und Verträge mit Rückversicherung für Fehler abschließen.

 

Auf nach Südfrankreich, die Reise unter der Führung von Michel Tapiòn lohnt sich allemal!

 

Hans Bäck

 

Buchvorstellung: "berichte von der innenfront" - Gedichte von Christl Geller

 Edition Lex Liszt 12
978-3-99016-224-8


Einen Gedichtband darf/kann/soll man nicht in einem Zug durchlesen! Das widerspricht dem Gedanken des Gedichtes an sich. Das soll man sich nach Möglichkeit auf der Zunge zergehen lassen, man soll – so verpönt das sonst sein mag – durchaus „Rosinen picken“: Also an einer Seite hängen bleiben, an einem Wort (totenbuch des universums) oder an einem Begriff, einem Ausdruck der schon längst vergessen, aus der „Mode gekommen“ ist (eichene waschtisch). Das alles erlaubt ein Gedichtband, wenn dieser, so wie der nunmehr vorliegende von Christl Greller, ein wenig aus der Zeit gefallen erscheint.

Da sind Gedichte, die so gar nicht dem Mainstream entsprechen, der erwartet – vorausgesetzt - wird. Denn, seien wir ehrlich zueinander, auch wir, die hin und wieder noch Gedichte lesen, was erfahren wir denn da, was wird uns alles als Gedicht „verkauft“?

Willkürliche Zeilenschaltungen, die eine Strophenform vortäuschen sollen, wo aber keinerlei Poesie vorhanden ist, unvollendete Gedanken, die womöglich die Anregung sein sollen, selbst nachzudenken? Alles das was uns immer wieder ärgert, all das vermisst der – ich gebe zu, konservative Leser und Rezensent – beim Rosinenpicken in Christls neuem Gedichtband. Erfreulich, so etwas noch zu lesen zu bekommen. Ja, es gibt sie schon noch die Dichterinnen und Dichter, die es können, ein Gedicht zu schreiben. Die wissen, wie Alltag auch in Poesie gebracht werden kann, ohne deswegen in die unerträgliche Befindlichkeitslyrik verschiedener Allerweltsschreiber zu verfallen. Christl hat es beispielsweise nicht notwendig, in ihrem „zyklus der totenlieder“ die unbeantwortbare Frage nach dem WARUM dem Herrgott oder anderen dunklen Mächten zu stellen. Sie lässt die Schatten  hüfthoher Silberdisteln, sie lässt die Trauernden „gehen… und blicken zurück/über die Schulter, fragend:/werden wir uns wiedersehen?“ Selten haben Totenlieder soviel Trost und Würde in sich gespeichert! Allein schon deswegen, lohnt es sich, in diesem Gedichtband weiterzublättern und lesen. Wie schon eingangs gesagt: Das geht nicht in einem Zug! Das braucht Zeit! Und es ist dann eine Wohltat zu entdecken, was die Dichterin da alles an Kostbarkeiten (und auch an Köstlichkeiten) verborgen hat, welche Rosinen der neugierig gewordene Leser noch finden wird. Und der „Arme“ der keine Rosinen mag? Wir kennen alle jene Kinder, die beim Kuchen darauf bestehen „ohne Rosinen bitte“? Und auch jenen ist geholfen. Es sind auch genügend Bitterstoffe in der Lyrik von Christl Greller vorhanden. Sie scheut sich nicht, die heißen Themen der Zeit anzugreifen und plötzlich wird die allgegenwärtige Lichtverschmutzung zu eine Poesie der Moderne (urban night). Und vieles anderes!

Abschließend muss ich ein Wort dem Verlag zuwenden. Schon klar, dieser wird gemäß Einschaltung vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, Sport und öffentlichen Dienst und dem Land Burgenland unterstützt. Aber das ist eine Förderung, für die sich niemand schämen muss, die jederzeit öffentlich gemacht werden kann und soll! Das ist gut, nein, bestens verwendetes Steuergeld!

Daher ein ungewöhnliches Danke an die Steuerzahler, sie sollen wissen, es gibt auch einen ehrlichen und vernünftigen Umgang mit ihren Geldern!

Vielleicht sind dadurch noch weitere Leseerlebnisse wie der vorliegende Gedichtband von
Christl Greller möglich.

 

Hans Bäck

Europa Literaturkreis Kapfenberg