von Manfred
Kolb
Kürzlich traf ich in meinem Lieblings-Bistro
„zum bunten Affen“ wieder mal meinen Freund Christian, Krischi genannt an.
Er war von Beruf Verwaltungsbeamter wie ich,
aber im Gegensatz zu meiner Arbeitsbelastung schob er in der
Beschwerdeabteilung mehr als eine ruhige Kugel.
Krischi saß vor einem Glas Latte Macchiato und
sah nicht glücklich aus. Als er mich herein kommen sah, blickte er kurz auf und
rang sich ein gequältes Lächeln ab.
„Hallo“ sagte er mit matter Stimme und deutete
auf den freien Platz ihm gegenüber..
Ich setzte mich und schaute ihn eine Weile
schweigend an. Dann fragte ich so unbekümmert wie möglich: „wie geht’s, altes
Haus, wir haben uns lange nicht mehr gesehen“. Als er schwieg, fuhr ich fort. “und
auch lange nichts mehr voneinander gehört!“
Plötzlich richtete er seine Augen auf mich und
sagte mit leiser Stimme: „Dummheit muss bestraft werden!“
Als er merkte, dass ich seine Feststellung nicht
einordnen konnte, legte er los:
„vor 2 Wochen war ich zu einem Wellness-Wochenende
in Sellin auf Rügen. Und auf einem der Strandspaziergänge Richtung Binz
entdeckte ich am Spülsaum der Brandung hinter einem Findling eine lange schmale
Flasche, verkorkt und versiegelt. Ich stutzte: ein Flaschenpost, die
offensichtlich niemand vor mir entdeckt hatte.
Da die Beschaffenheit der Glasoberfläche einen
milchig-duffen Charakter aufwies, konnte ich den Inhalt des Gefäßes nicht
ausmachen. Das Siegel war dem Aussehen nach älteren Datums. Einen Moment dachte
ich daran, den Fund wieder in die Brandung zurück zu werfen, aber dann siegte
doch meine Neugier.
„Du hast also die Flasche mit ins Hotel
genommen?!, fragte ich neugierig.
„Ja, und mit einem Messer habe ich in meinem Zimmer dann das Siegel abgeschnitten und mittels eines
Korkenziehers ich die geheimnisvolle Flaschenpost entkorkt. Auch der Korken
schien schon sehr alt zu sein.
Krischi schwieg plötzlich, in Gedanken
versunken.
„Nun spann mich nicht auf die Folter, alter
Freund und verrate mir, was sich in der Flasche befand!“
Mein Gegenüber schien aus weiter Ferne in die
Wirklichkeit zurückzukehren. Dann fasste er sich.
„Als ich den Korken vorsichtig herausgezogen
hatte, ertönte ein Zischen und eine weiße Wolke strömte aus dem Inneren durch
den schmalen Hals nach außen. Ehe ich mich von dem Schreck erholen konnte, nahm
die Wolke eine kleine menschenähnliche Gestalt an, die regungslos im Raum
schwebend vor mir verharrte.
„Das gibt’s doch gar nicht“, brach es aus mir
heraus“, Du hast das geträumt, gib es doch zu!“
„Und warum trafst Du mich in bedrückter
trauriger Stimmung an, wenn das nur ein Traum war?“
„Entschuldige bitte“, gab ich nach, „ich wollte
Dich nicht verletzten. Aber ungewöhnlich ist das Ganze schon. Das musst Du
zugeben.“
Als er nickte, fuhr ich fort: „Und wie ging es
weiter?“
Krischi dachte kurz nach: “als ich mich wieder
etwas gefasst hatte, hörte ich ein leises Säuseln, das direkt von der Wolkenfigur
zu kommen schien. Dann vernahm ich eine seltsam piepsige Stimme, die langsam
und bedächtig sprach:
„ich bin ein Geist, vor mehr als 200 Jahren in
die Flasche verbannt. Wer mich befreit, hat drei Wünsche frei, die ich ihm ohne
Wenn und Aber wortgetreu erfülle!“
„Nu mach aber mal einen Punkt, unterbrach ich
ihn, „das ist nun wirklich eine tolle Klamotte, was Du mir da erzählst: ein
Geist, der Dir die Erfüllung von drei Wünschen anbietet. Wo gibt’s denn sowas!“
„Das dachte ich zuerst ja auch. Als ich meine
Augen schloss und wieder öffnete, war der Geist noch immer da und wiederholte
in gleicher Weise wie zuvor sein Angebot, mir als Gegenleistung für seine
Befreiung drei von mir geäußerte Wünsche zu erfüllen. Ich sollte mir gut
überlegen, was für mich das Wichtigste im Leben sei“
„und was hast Du Dir denn gewünscht?
„Viel Zeit hatte ich ja nicht, da die Wolke
langsam anfing, sich aufzulösen. Also sagte ich dem Flaschengeist schnell: ich
wünsche mir erstens eine Villa mit einem großen Grundstück und Meeresblick, zweitens
einen Haufen Goldbarren in einem Schließfach einer Bank in Irland, der mir das
Auskommen bis zum Lebensende sichert, und drittens nie wieder im Büro arbeiten zu
müssen.
„und was geschah dann?“, fragte ich atemlos.
Krischi schwieg wieder, wobei seine Gesichtszüge
von Traurigkeit geprägt waren.
„Der Flaschengeist sagte nur sieben Worte mit
seiner piepsigen Stimme: Also gut, Deine drei Wünsche werden Dir von mir erfüllt!“
Dann löste sich die Wolke quasi in nichts auf.
Ich stand verdattert da, die leere Flasche in der Hand. Ich hatte schon an
einen Zaubertrick oder einen üblen Scherz gedacht, als plötzlich ein lautes
Brausen ertönte, das den Raum ausfüllte und von mir Besitz ergriff. Und wie auf
Flügeln sauste ich durch die Luft und fand mich auf meinem Bürostuhl im
Beschwerdeamt wieder, wo man mir zu meinem Erstaunen verkündete, dass ich ab
sofort in den Außendienst versetzt worden sei.
Na sieh mal an“, warf ich ein: „den Wunsch,
nicht mehr im Büro arbeiten zu müssen, hat Dir der Flaschengeist ja erfüllt!
Das war also einer der drei Wünsche.. Und die anderen beiden? Ich meine die
Villa am Meer und der Haufen Goldbarren.“
Krischi seufzte und schlug plötzlich wütend mit
der flachen Hand auf den Bistro-Tisch, dass die anderen Gäste erschreckt zu uns
herüber sahen. Seine Augen blitzten: „wie konnte ich das nur vergessen! Ich
Idiot habe doch glatt versäumt, den Flaschengeist zu fragen, wo ich die Villa finde
und auf welchem Schließfach welcher Bank in Irland die Goldbarren deponiert
sind!“.
Und zu mir gewandt: „Siehst Du, wie ich schon
sagte, Dummheit muss bestraft werden!“
ENDE