Dienstag, 26. Mai 2020

Literatur-Newsletter 2020/3



Liebe Literaturfreunde, geschätzte Kollegen!

Es gäbe diesmal wirklich Stoff für wöchentliche Newsletter. Aber ich will nicht bei der allgemeinen PR-Schwemme mitmachen. Es schreibt – nein nicht jeder – aber doch unendlich viele melden sich zu Wort. Das ist gut so, fallweise auch gut gemeint und manchmal auch unnötig. Doch ich will nicht werten, klassifizieren. Es soll jeder der meint, etwas sagen zu müssen, das auch tun – noch ist uns ja die Redefreiheit erhalten geblieben. Und wie ich die österreichische Literaturszene kenne, werden wir uns auch nicht das Maul verbieten lassen.
Damit, meine Verehrten habe ich mir selbst das „Hölzl“ gelegt, das ich brauchte um einzusteigen. Was/Wen wollen wir Autoren, Schriftsteller, Dichter mit unseren Worten erreichen? Aufmerksamkeit, klar. Wofür? Für unsere Idee, Gedanken, Ansichten. Für unsere Überzeugungen. Natürlich, auch die gibt es und niemandem ist es untersagt, auch eine Ideologie zu vertreten und zu verbreiten! Es gibt viele Kollegen, die Ideologisches so bringen, dass es als gute Literatur ankommt. Von jenen, die mit der Fahne (womöglich noch mit irgendeinem Emblem) herumrennen und lauthals verkünden, wie sie die Welt retten wollen, nun meist fehlt halt dabei das berühmte „Alzerl’’ um als Literatur anzukommen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Es ist unglaublich, wenn ich so durch die Löcher und Maschen des word wide web stöbere, was da als „Literatur“ angeboten und angepriesen wird. Die literarischen Beiträge zu Cornona sind unzählig! Reich Ranicki verlangte einst in Klagenfurt, „es müsste in der deutschsprachigen Literatur verboten werden, über die Liebe, den Vollmond und Venedig zu schreiben“ was würde er heute verbieten? Die unendliche Anzahl von Gedichten, Geschichten, Essays usw. welche den menschgemachten Weltuntergang, der anscheinend wohlverdient ist, herbeischreiben. Die sich in Mitleid und Schuldzuweisungen suhlen, so wie die Wildschweine im Lainzer Tiergarten im Schlamm.
Muss das so sein? Haben wir Autoren keine Selbstkritik? Können wir nicht mehr beurteilen, wenn wir Mist schreiben – nur weil es aktuell ist und die Pandemie unter den Nägeln brennt?
Es ist schon so, wir Autoren neigen zu einem gewissen Hochmut, zu einer Arroganz. Immerhin ist es uns möglich, mit unseren Worten das auszudrücken, wovon wir glauben, dass es viele Mitmenschen interessiert. Und insgeheim nehmen wir dann an, die Welt wartet tatsächlich auf unsere geistigen Ergüsse. Womöglich haben wir auch vor Augen, wen wir ansprechen, erreichen wollen. Um im modernen Marketing zu sprechen: Unsere Zielgruppe. Nun will ich nicht vermessen und überheblich werden, und meinen, das was wir schreiben sei immer Kunst, und hat als solche den Anspruch, sich nicht auf Anhieb zugänglich zu zeigen. Doch etwas sollten wir uns schon vor Augen halten: je unterschiedlicher die Leser, die Menschen unsere Texte annehmen und „verstehen“, umso besser ist es doch. Muss der Leser mit dem Autor einer Meinung sein? Die Auseinandersetzung, die Differenzen machen doch den Reiz aus. Jeder Mensch soll und kann doch ein Bild, eine Gedicht, eine Sonate, eine Skulptur sehen, hören, begreifen wie er will. Und jeder der ein Werk geschaffen hat, wird sich doch darüber freuen, wenn es unterschiedliche Meinungen dazu gibt. Was ist interessanter als die Auseinandersetzung über künstlerisches Schaffen!

Köstlich wird es, wenn Kollegen in der Erinnerungskiste kramen und alle möglichen Erlebnisse, je weiter zurück, desto lieber (da nicht mehr kontrollierbar???) aus der Kiste holen. Wie damals in „Zeiten wie diesen“ Probleme Österreichs und darüber hinaus gelöst wurden, und ein brummiger Kanzler meinte, er sei „der Meinung“ so ist das nur mehr erheiternd. Ein wenig erinnern mich diese Schilderungen an die Bücher des unseligen Ernst Jünger, der die Heldentaten des Ersten Weltkriegs beschrieb  kann auch niemand mehr nachprüfen. Aber was soll es. Zu diesen Zeiten, die heute so verklärt werden und als das Goldene Zeitalter Österreichs dargestellt, war es immerhin üblich im Klub 45 sich zu treffen und die Republik aufzuteilen. Da ist der HC in Ibiza ja nur mehr ein müder Abklatsch gewesen. Im erwähnten Klub wurden immerhin Morde geplant, durchgeführt, Waffenschiebereien  vorgenommen, alles Dinge, von denen die Armutschkerln in Ibiza vielleicht geträumt haben. Und wer sich die Mühe macht, im w.w.w. bei Wikipedia nachzusehen, welche illustren Männer der Republik damals das Sagen hatten (im Klub und in der Republik) kann sich nur wundern, mit welcher Verklärung diese „Gfraster“ heute dargestellt werden. Ich denke an einen, der es sogar bis zum Innenminister brachte und vor wenigen Monaten ehrenvoll ihn die wohlverdiente hochdotierte Politikerpension verabschiedet wurde. Immerhin mit mehr als 80 Lebensjahren und einem „unermüdlichen Wirken für die Menschen dieses Landes, für die Kleinen und Zukurzgekommenen“ zum Speiben ist das – auch im Nachhinein.
All das kommt mit dem Virus hoch. Und niemand nimmt mehr Anstoß daran. Aktuell sind Umfrageergebnisse, Videos aus Ibiza. Und dann natürlich der drohende Absturz des Fremdenverkehrs im Sommer. Wer als literarisch Belesener da nicht an den Lehrer Zehetbauer aus den letzten Tagen der Menschheit denkt! Mit welchen Argumenten sollen die Fremden nach Österreich gelockt werden? Massentests der Mitarbeiter in den Hotels, ausgehängte Virusfrei-Zertifikate an der Hoteltüre? Möglichst vom TÜV-Süd ausgestellt? In jedem zweiten Leitartikel oder Kommentar zur Virensituation wird davon geschrieben, dass diese Krise zur Chance umgemünzt werden soll, denn nichts ist nach Corona so, wie es vorher war. Ah so? Keine überbesuchten Städte, Dörfer und Sehenswürdigkeiten mehr? Keine Staus und Zeitkarten für Hallstadt, Cafe Central, Ausstellungen mit time-slot? Keine Kolonnen auf den Autobahnen zu Ferienbeginn? Keine überhöhten Preise in den Restaurants bei gesunkenen Qualität, keine unmenschlichen Unterbringungen für die Mitarbeiter in den Fremdenverkehrsbetrieben, in den Unterkünften für die Helfer in den verschiedenen Betrieben, die das herstellen, was wir brauchen aber die Arbeit nicht machen wollen – und sei es nur Essiggurkerl aus den Feldern klauben. Der Schrei der Gewerkschaft, dem arbeitenden Menschen muss das Schnitzel weiterhin leistbar sein! Und damit nicht die Erhöhung der Löhne meint, sondern der Ausbeutung der Schweine, der Bauern, der Arbeitern in den Schlachtbetrieben, der Natur das Wort redet. Wo bleibt die vielbesprochene Umkehr nach Corona? Nein, es geht alles gleich weiter. Die Wirte suchen ihr Personal in den Ländern rund um Österreich, die überforderten Familien holen ihre Betreuungskräfte für die Alten mit Sonderzügen aus Südosteuropa – während dort den Kindern keine Schule mehr möglich ist, dort die Alten in furchtbaren Heimen verrecken müssen. Nein, ich fürchte, wir lernen aus der Krise nichts!

Noch was zum Jammern und Schimpfen?

Nein, es gibt genügend positive Geschehnisse. Und die spielen sich – Gott sei Dank – dort ab, wo die Politik bisher nicht so sehr geachtet hatte. Weil die Politik sich um die Kultur kaum bis gar nicht gekümmert hatte, ist da einiges passiert, das durchaus hoffnungsvoll stimmen kann. Ich mag nicht wie der Blinde über die Farbe sprechen, daher werde ich nur die Literatur heranziehen. Und da ist eine Explosion an hervorragenden Büchern geschehen, die nachgerade großartig ist! Jetzt geht es nur noch darum, dass diese Werke auch gelesen werden.
Nein, liebe Leser, ich schreibe ausnahmsweise nicht von meinem eigenen Buch! Ich erwähne nur einige Werke, die ich in den Zeiten der Ausgangsbeschränkungen, der geschlossenen Caféhäuser, der nichtbespielten Konzertsäle usw. gelesen habe.
Ich beginne ganz bewusst mit einem Buch eines Kapfenbergers, der unsere Stadt zwar schon vor vielen Jahren verlassen hatte, aber seine Prägung hier nicht vergessen hat. Michael Scharang hat nach mehrjähriger Pause wieder ein neues Buch herausgebracht. Endlich, muss ich sagen! Ja, Scharang’s Buch „Aufruhr“ ist ein Treffer. Daher nur der Hinweis auf der Homepage des europa-literaturkreis-net ist unter Lesetipps die Rezension nachzulesen! Aber nicht nur Scharang hat die Ausgehsperre aufgelockert! Auch Valerie Fritsch mit den „Herzklappen von Johnson&Johnson“, weiters Saša Štavarić mit „Herkunft“ und Drago Janćar mit dem Roman „Wenn die Liebe ruht“ haben für einen traumhaft schönen Lesefrühling gesorgt. Gott sei Dank, hat die Buchhändlerin „meines Vertrauens“ rechtzeitig dafür gesorgt, dass sie meine gewünschten Bücher on-line bestellen konnte, und diese auch ins Haus lieferte. Vieles ging während der Krisenzeit ganz gut weiter, man musste sich nur zu helfen wissen!
Damit beende ich diesen newsletter! Es ist noch lange nicht alles geschrieben, was ich loswerden wollte, aber es muss auch ein Ende haben.

Bis zum nächsten Mal!


 Hans Bäck