Samstag, 31. März 2018

Daedalus


Daedalus

flieg im sturm hoch
daedalus, fliege
bevor die nacht dich
erwischt
streiche mit den flügeln
den rest des tages
in den glutrachen
der sonne
die bereits erschöpft
auf dem boden liegt
nebelhauch entströmt
zahnlosen mündern
schließt die wunden
bedeckt die fährten
die wir unbedacht
heute hinterließen

entzünde mit deinem feuer
daedalus
die kristallschalen
der sterne
die wie lüstern auf
samtschwarzen decken leuchten


fliege, daedalus, fliehe
schütze den mond
in deinem gepäck
vor den zernarbenden
strahlen
des muttergestirns
die ihrer tochter
mit jedem kuss
einen neuen mitesser
auf die wange haucht

schau auf deiner reise
daedalus
durch den saal der unendlichkeit
nicht zurück
lass dich nicht verwirren
von verbotszonen und
einbahnstrassen
finde deinen weg
zwischen hier und heute
jenseits der verkehrsgefluteten
buttermilchtrasse
im rotlichviertel
der hurenden sonnen
wo eine stunde vergnügen
nur ein lichtjahr kostet

DUB, 23.10.2014
www.textfabrique51.de


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Vor 80 Jahren




„An diesem Abend brach die Hölle los. Die Unterwelt hat ihre Porten aufgetan und ihre niedrigsten und scheußlichsten unreinsten Geister losgelassen. Die Luft war von einem unablässig gellenden, wüsten, hysterischen Geschrei erfüllt, aus Männer- und Weiberkehlen, das tage- und nächtelang weiter schrillte. Und alle Menschen verloren ihr Gesicht, glichen einer verzerrten Fratze: die einen in Angst, die anderen in wildem, hasserfülltem Triumph. Es war die Stunde des Pöbels und ein Begräbnis aller menschlichen Würde.“ Carl Zuckmayer in seinen Erinnerungen.

Warum nun ich? Ich habe keine Erinnerungen daran, ich bin Jahrgang 1940, also was solls?
Ich denke daran, dass mein Erzeuger, also mein Vater, jahrelang ein sogenanntes illegales Parteimitglied war. In Wien lebte, in einigermaßen eigenartigen Umständen. Es gibt da Fotos, doch nein, das lasse ich weg. Es reicht mir, daran zu denken, dass er auch in der Menge der Hundertausenden stand, schrie und brüllte, den Hut schwenkte, ich weiß nicht was noch alles. Jedenfalls, wie alle PG außer Rand und Band. Daran denke ich.
Ich denke auch daran, dass meine Mutter, damals bei einer großbürgerlichen Familie mit deutlich Großdeutschem Hintergrund „in Dienst“ war, also als Hausmädchen angestellt. Sie hatte das Glück, dass ihre „Herrschaft“ kulturell aufgeschlossen war, die führten ihre Hausgehilfin in die Oper in Graz, ins Theater. Daher konnte die Köchin aus der Obersteiermark erleben, wie die Grazer Bürger in der Oper bei Aufführungen von Wagner Meistersingern im Schlussjubel dem Hauptdarsteller „Heil“ zu riefen: „Heil Lohmann“ „Heil Depser“ und wie die Größen der Grazer Oper zu der Zeit hießen. Und dann sehe ich die Bilder von Graz, der Stadt der Volkserhebung, wie die Menschen in den Straßen schrieen, brüllten, Fahnen schwenkten. Und wieder der Gedanke daran: Sie auch? Womöglich im Schlepptau der „Herrschaft?“ Zu der Zeit hatte ich schon zwei Brüder, halbwüchsig würde man heute sagen. Der eine landete bald bei der SS, der andere, „normal“ bei der Wehrmacht. Die beiden auch? Brüllend, schreiend?
Das ist es, was mir im Gedenken, was vor 80 Jahren in Österreich geschah, kalte Schauer über den Rücken jagt. Den Einen, den Erzeuger, habe ich nicht mehr genau kennen lernen müssen, aber die anderen drei? Die Mutter hatte später, mich so erzogen, als Summerhill noch kein Thema war, gewaltfrei, musisch orientiert, all das, was mich bis heute prägt. Sie stand irgendwo in Graz am Hauptplatz, in der Herrengasse, schwenkte Fahnen, schrie, jubelte, ... unvorstellbar für mich und doch wahrscheinlich so gewesen.
Gruseln und kalte Schauer über den Rücken!
Heute, 80 Jahren später!

Was bleibt? Ein permanentes Unbehagen, wenn Menschen auf die Straßen gehen. Egal, ob es sich um linke oder rechte Chaoten handelt. Ob sie mit Trillerpfeifen, Schlüsselbunden, Kochtöpfen lautstark für ihre ach so berechtigten Anliegen auf die Straßen gehen. Glauben sie zumindest, es zu müssen. Einverstanden, wir haben das Recht der Demonstrationsfreiheit und dafür würde sogar ich auf die Straße gehen, sollte das jemand antasten. Aber:
Muss dabei mutwillig, böswillig, bösartig Eigentum anderer beschädigt werden? Mistkübel angezündet, Pflastersteine geworfen, Schaufenster eingeschmissen? Sage niemand, bei uns gäbe es das nicht! Am Montag, dem 26. März eine kleine Meldung in der Zeitung, „Demonstranten zogen eine Spur der Verwüstung durch Wien“ brauchen wir das??? Die andere Meldung vom selben Tag: „Über eine Million bei Demos“ gegen die Waffengesetze in den USA, junge Redner rührten die Menschen zu Tränen – ohne Tränengas der Polizei!
Nur weil Eigentum angeblich für manche Demonstranten schlecht ist, darf man das zerstören? Respekt wäre einzufordern!
Auch bei so genannten „berechtigten“ Anliegen der Menschen!
Ich habe zu Beginn Zuckmayer zitiert, abschließend möchte ich Albert Schweizer zitieren, der nach langem Nachdenken im Dschungel von Lambarene zur Erkenntnis kam, dass die Ehrfurcht vor dem Leben mit dem Mut die Hoffnung entwickelt und so zu einer weltbejahenden Kultur führt.

Hans Bäck
In der Karwoche des Jahres 2018

Veranstaltungshinweise für Mai 2018


 Kapfenberg - Veranstaltungshinweise
(Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen)



Offener Leseabend

Mitglieder des Europa-Literaturkreises Kapfenberg lesen neue Texte. Anschließend besteht die Möglichkeit, in lockerer Atmosphäre darüber zu diskutieren.
Auch die Besucherinnen und Besucher dieser Veranstaltung sind eingeladen eigene Texte mitzubringen, zu lesen und gemeinsam zu besprechen.

Termin:           Donnerstag, 03. Mai 2018
Beginn:           19:00 Uhr
Ort:                 ILLUSION - Café-Lounge-Bar, Schinitzgasse 2 / Erich-Fried-Passage


GE(H)LESEN – Poesie in unserer Stadt

Termin:           Samstag, 5. Mai 2018
Beginn:           14:30 Uhr
Ort:                             Max Mell Weg

Kurze Vorstellung von Max Mell, anschließend Lesung aus seinen Werken.


800 Jahre Diözese Graz-Seckau

Spurensuche: Josef Graßmugg, Veronika Grossinger und Karl Mittlinger folgen den Spuren kirchlicher Persönlichkeiten, die in der Steiermark Eindruck hinterlassen haben.
Ebenfalls dabei: Die Tanzgruppe Rossecker.

Termin:           Freitag, 11. Mai 2018
Beginn:           16:00 Uhr
Ort:                 Bühne „Zukunft säen“ am Koloman-Wallisch-Platz


GE(H)LESEN – Poesie in unserer Stadt

Termin:           Samstag, 19. Mai 2018
Beginn:           14:30 Uhr
Ort:                             Herdergasse

Kurze Vorstellung von Johann Gottfried Herder, anschließend Lesung aus seinen Werken.


Haiku - Abend

Ein „Arbeitsabend“ für Freunde japanischer Lyrik- und Kurzprosaformen.
Auch die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, Texte mitzubringen, zu lesen, darüber zu diskutieren, zu philosophieren…

Termin:           Montag, 28. Mai 2018
Beginn:           19:00 Uhr
Ort:                 KUlturZentrum, Mürzgasse 3 / 2. Stock


Für Rückfragen: Sepp Graßmugg  0664/4238514  josef.grassmugg@aon.at

Dienstag, 20. März 2018

"Franz - eine Karriere" - Eine Buchrezension

von Manfred Chobot
"Franz - eine Karriere"
Erzählungen, Löcker Verlag ISBN 978-3-85409-846-1

Manfred Chobot, ein 70er – endlich oder schon? Je nach dem, was man von seinen neuesten Erzählungen erwartet. Ist er endlich altersbedingt in der Banalität angekommen oder hat er schon die Weisheit des Alters erreicht?
Genau so reißt es den Leser und auch den Rezensenten hin und her. Die Banalität des absurden Alltags oder sind es die Erkenntnisse und Weisheiten, die den Alltag so literarisch machen können?
Eines steht fest: Manfred Chobot, es ist ihm nichts Böses unter der Sonne fremd, und es ist ihm nichts unglaublich genug, um es nicht erzählerisch zu verwerten. Es ist ihm auch nichts banal, gewöhnlich, absurd, unverständlich genug, um es nicht in eine Form zu bringen.
Da denkt der Leser einmal, na was soll denn die Geschichte mit einem „gewissen Fräulein Else“? Das Fräulein wurde ja schon in den achtziger Jahren abgeschafft, war doch eine der ersten Leistungen gewisser Frauenministerinnen, und nun plaudert da eine anscheinend höchst attraktive Blondine im Internetslang des Jahres 2018 seitenlang als Fräulein daher. Damit sind wir mittendrin in den Chobot’schen Absurditäten. Alltag, Business, Urlaub am Gardasee, nackt am Marmorboden liegend, und für den Samenspender – den Dad - soll sie schnellstens 30 000 Euro auftreiben, sonst landet der – wo denn sonst – im Knast. Wie und ob?  Nein, selber lesen!
Anna und Maria, das uralte Spiel – auch das literarische – mit Zwillingen! Nicht erst die Zwillinge Editha und Mimi Pastrè des Herrn von Doderer kommen da in Erinnerung. Und wie sich die Ereignisse gleichen ohne als Kopie zu erscheinen! Beide nein, im Vergleich muss man sagen, alle vier Zwillinge gehen mit ihrer Verehrern ins Bett und es werden keine Unterschiede erkannt – sind die Männer wirklich so blind, wenn es um die wichtigste Neben- und Hauptsache geht? Anscheinend. Schade, dass der Zeuger der Kinder von Anna und - oder war es doch die Maria – sich auf der letzten Seite so in Luft auflöst. Da könnte man sich noch viele Verwicklungen erwarten!
Der titelgebende Franz! Da wird der Alltag zur absoluten Perversion! Eine so alltägliche Geschichte, sie wäre selbst dem Österreichischen Massenblatt („Schau in die ...“) keine fünf Zeilen wert wäre, die aber in der Alltäglichkeit erschreckend und grausam ist. Die Karriere des Franz, mein lieber Leser, wenn DIE dich einmal haben, dann brauchst du Glück und Massel, um DA wieder herauszukommen.
Dann, einen noch. Es wären ja zehn weitere Helden des Alltags, aber ich will dem Leser die Entdeckerfreude nicht nehmen, also, einen noch. Den nämlich, dem wir, der Manfred Chobot, der Hannes Vyoral, ich und Dutzende weiterer Autoren hoffen nie zu begegnen. Da das Verlagswesen an sich eine saubere und seriöse Angelegenheit ist, kann man davon ausgehen, dass Herr Horst und seine Damen Alpha, Beta, Gamma, Delta, Lambda natürlich nur herhalten müssen, um dem Autor das notwendige Personal zu liefern. Mit erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Verlegern hat das absolut nichts zu tun, das sei gleich einmal klar gestellt. Wie heißt es im Vorwort jedes Romans, der etwas auf sich hält? „Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig und hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun...“ Also, Horst, der erfolgreiche Verleger, Hinleger könnte man auch sagen, der die Heirat seines Sohnes mit seiner eigenen Geliebten Gabriela arrangierte,  es fällt dem Rezensenten noch einmal Doderer ein. „Die Merowinger“ - gut so weit lässt es die knappe Form der Erzählung nicht zu, aber auch in diesen wenigen Seiten ist die unendliche Kongruenz der österreichischen Schriftsteller unübersehbar und wird zum Vergnügen.
13 Erzählungen sind es diesmal, Manfred Chobot schreibt ja weiter, fliegt wieder nach Fuerteventura um ungestört schreiben zu können. Also, heißt es nur ein wenig warten, um die nächsten 10, 12 oder 15 Erzählungen in den Händen zu halten. Immerhin, er ist ja erst 70 gewesen, da können wir noch einiges erwarten!

Hans Bäck
Kapfenberg