Dienstag, 6. Dezember 2022
6. Advent 2022 - Nikolaus
Silberstern und Zauberstift
In angespannter Vorfreude aus dem Bett hüpfen, hinlaufen zum Kalender, ich darf das erste Türchen öffnen! Fasziniert stehe ich vor einem Marktbrunnen mit einer Häuserreihe und leuchtenden Straßenlaternen, einem dunklen Abendhimmel mit hellen Sternen und einem goldgelben Sichelmond. Alles glänzt und glitzert. Mein Adventskalender! Mit beiden Händen streiche ich über seine Oberfläche. Als ich meine Handflächen anschaue glitzern sie, unzählige kleine Silberlichter, jetzt bin ich verzaubert! Glücklich! „Wenn du den Silberglitzer weg machst, kommt das Christkind nicht, also lass es sein“, ermahnt mich Mama, und zu meinem Leidwesen muss ich mir die Hände waschen, kein Zauber mehr, Mutti kontrolliert.
Auf dem Kalender versteckt sind kleine Zahlen, die zu kleinen Türen gehören. Wenn ich bei der großen Flügeltür mit 24 bin, kommt das Christkind, erklärt mir Oma. Es bringt mir ein Geschenk, aber nur dann, wenn ich brav und folgsam bin. Hinter den Fensterläden verbergen sich bunte Bilder, eine Brezel, ein Ball, eine Puppe und vieles mehr. Jedes Mal, wenn ich ein Türchen öffne, streiche ich mehrfach mit dem Finger über die kleine Fläche, die ich anschließend fest an den Untergrund drücke, damit Mama und das Christkind nicht sehen können, dass die vielen winzigen Silbersterne an meinen Fingern haften, Zaubersterne für den Tag, die ich nicht verlieren möchte. Händewaschen meide ich. Die Fußbank vor das Waschbecken schieben, den Wasserhahn aufdrehen, am Handtuch rupfen, fertig. Doch an einem Tag entdeckt Opa meine Glitzerfinger. „Ah“, schmunzelt er, „du hast die Zauberfee begrüßt.“ Er nickt mir zu, lächelt geheimnisvoll. Ich fühle es, Opa wird mich nicht verraten. Auf Opa ist Verlass, ich umarme ihn. An seinem Hals glitzern feine Silberlichter. Was wird Opa wohl der Oma sagen, wenn sie seine Zaubersterne entdeckt? Doch die Oma fragt nicht. Am Abend stehen Opa und ich vor der Haustür und schauen hinauf in den Abendhimmel, tausend glitzernde Sterne. „Silberlichter, Zaubersterne,“ staune ich. „Ja, Sternenzauber …“, Opa drückt liebevoll meine Hand.
Am Heiligen Abend lagen unter dem Weihnachtsbaum die Malstifte, die ich mir so sehr gewünscht hatte, und als ich einen auspackte, blieben die Silberlichter von meinen Fingern an ihm hängen. So erhielt ich meinen Zauberstift.
Marlies Strübbe
Medebach, Deutschland
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