Hierzu ein ein Kommentar von Hans Bäck:
Und es hat doch geklappt!
Corona hat sich bemüht, doch
die Literatur war stärker! Die Literatur wird nicht untergehen! Die moderne
Technik und ein Kraftakt des ORF mitsamt 3SAT
haben es möglich gemacht, die diesjährigen „Tage der deutschsprachigen
Literatur“ gemeinhin als Bachmannpreis bekannt, mitzuerleben. Natürlich die
Atmosphäre des ORF Theaters in Klagenfurt fehlte, ebenso der Kaffee im
Untergeschoss, die Spaziergänge durch den Park oder durch die Stadt. Aber dafür
hatte man zu Hause die Möglichkeit sich am PC oder im TV die Lesungen,
Diskussionen anzuhören – fußfrei ohne Rückenschmerzen auf den unbequemen
Sesseln oder Bänken. Und ich für meine Person halte den Bequemlichkeitsgewinn
gerne fest. Umsomehr ganz wenige Autorinnen/Autoren dabei waren, deren Vortrag
zum Einschlafen verführte. Ganz wenige, d. h. es gab sie schon noch, obwohl die
Lesequalität auch zugenommen hat. D. h. die Damen und Herren sind nun doch
weitgehend in der Lage ihre Texte so vorzutragen, dass diese von ihnen nicht
selbst umgebracht werden. Haben wir oft genug erlebt und es gibt heute noch
viele Autoren, die man am Liebsten bitten möchte, ‚geh ersuche jemand deinen
Text zu lesen, denn du kannst das nicht.’
Doch lassen wir diese
allgemeinen Bemerkungen, kommen wir zum „Wettlesen“ an sich.
Die Liste der Kandidaten
hatte bereits eine Überraschung parat: Helga Schubert, in den Jahren 1986 –
1990 selbst als Jurorin für die DDR damals tätig, trat nun als 80-jährige an!
In der Vorstellung sagte sie, dass sie bereits 1980 eingeladen war, aber damals
keine Ausreisegenehmigung der DDR erhielt. Ja, das gab es einmal und ist noch
gar nicht so lange her! Es ist ja schön und gut, dass die politischen
Nachfolger des damaligen SED-Regimes heute als parlamentarische Partei im
Berliner Bundesrat sich für die Freiheit der Kunst stark machen und einsetzen.
Für Frau Schubert war diese Episode nur einen Nebensatz wert: Sie freue sich,
das all jene, die damals ihre Reise nach Klagenfurt verhinderten, nun bereits
tot seien. Schön, das so sagen zu können. Wenig überraschend, für mich
zumindest, dass Frau Schubert nach 3 Wahlgängen als Bachmannpreisträgerin
feststand. Auch die übrigen Preisträger 2020: Deutschlandfunk-Preis ging an
Lisa Krusche (Braunschweig, vorgeschlagen von Klaus Kastberger), der
KELAG-Preis ging an den Grazer Egon Christian Leitner (ebenfalls von Kastberger
vorgeschlagen), während der 3-SAT Preis an Laura Freudenthaler ging. Lange sah
es so aus, dass gerade diese Autorin einer der vorderen Preise erhalten würde,
doch gingen die notwendigen Stichwahlen immer zu ihren Ungunsten aus. Eingeladen
wurde sie von Brigitte Schwens-Harrant, begeisterte mit ihrem Text ungemein,
doch in den Abstimmungen wurden ihr immer wieder andere – eben die bereits
Erwähnten – vorgezogen. Doch auch der 3 SAT Preis ist nicht zu verachten und um
Klaus Kastberger zu zitieren, Laura Freudenthaler wäre eine Aktie, auf die man
wetten könne.
Neue Gesichter in der Jury,
neue Wortgefechte, nicht nur braves Abnicken von allen möglichen Textpassagen.
So kam es durchaus vor, dass ein Text als eine typische Gewerkschaftsprosa mit
Gerechtigkeitspathos eingestuft wurde. Oder, m. E. das Ärgste was einem Text
passieren kann, als „Befindlichkeitsprosa“ genannt zu werden. Alles das gab es
diesmal. Eine Jury, die auch Konfrontationen nicht scheute. Und ich glaube, das
war und ist auch gut so, man darf doch einen schwachen Text auch als solchen
bezeichnen.
Ein Wort noch zu den
Journalisten: Es fehlte natürlich die Einladung nach Klagenfurt, Corona machte
es unmöglich, live dabei zu sein. Die Kulturredakteure sind daher so, wie ich
als Otto Normalleser, auf TV und PC angewiesen. Das bedeutet einmal, es gibt
keine Dienstreise nach Klagenfurt, keine Gespräche mit allen möglichen
bedeutenden Menschen aus dem Literaturbetrieb. Dementsprechend dünn fallen die
Berichte in den Tageszeitungen aus! Wer von den Journalisten hat auch die Zeit
sich am Donnerstag mehr als 5 Stunden, am Freitag nochmals fast 6 Stunden und
am Samstag mehr als 4 Stunden hinzusetzen und konzentriert zuzuhören. Das kann
sich nur ein Pensionist wie ich erlauben!
Und ich habe es halt getan
und es hat Spaß gemacht! Doch, auch ich würde das Life-Erlebnis im ORF-Theater
vorziehen.
Ja, da gibt es noch den
Publikumspreis. Dieser wird von den Hörern und Sehern per Internetabstimmung
vergeben. Eine an sich gute Idee, was sich dabei aber an
Manipulationsmöglichkeiten ergeben,
haben wir noch in guter, bzw. schlechter Erinnerung. Als damals eine Dame,
deren Texte absolut keine Chance auf nur ein winziges Preiserl gehabt hätten,
ihre Fangemeinde so mobilisierte, dass sie den Publikumspreis überlegen gewann.
Lydia Haider erhielt heuer diesen Preis, sie war zwar nicht auf der Shortlist
(für mich eher verwunderlich), doch die Internetabstimmung fiel haushoch zu
ihren Gunsten aus. Und so schlecht war ihr Text gar nicht, dass er nicht einmal
auf die Shortlist gekommen ist.
Also, auch ein
zufriedenstimmenden Ergebnis!
Bachmannpreis, nein, die
44. Tage der Deutschsprachigen Literatur
alles bestens? Nun ja, Immerhin, Hubert Winkels ist ab dem kommenden Jahr nicht
mehr Jury-Vorsitzender, das ist ja auch etwas, auf das ich persönlich schon
einige Jahre gewartet habe. Keine Überraschungen? Mit allen Preisträgern
einverstanden? Ja und nein, aber das ist in jedem Jahr noch so gewesen.
Vielleicht die Überraschung: Die
Jury nahm sich heuer einmal nicht sooo wichtig. Es ist schön dass es die
Literatur gibt, diese wird auch nicht untergehen, wenn die Damen und Herren der
Jury erkennen, dass sie für diese 3 oder vier Tage nicht der Mittelpunkt der
Welt sind, nicht einmal der literarischen, dann ist auch viel gewonnen. Aber
das liegt überwiegend an der Auswahl der Juroren.
Hans Bäck
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