Mittwoch, 6. November 2019

Im Sog der fliegenden Fische - Buchbesprechung


Lyrik von Friederike und Mira Jana Krassnig
ISBN-978-3-9500299-8-7

Keine weiteren Angaben über Verlag, Preis usw.
Erwähnt werden Förderungen des Bundeskanzleramtes und der Stadtgemeinde Kapfenberg – warum das in einer Rezension angeführt wird? Ich komme darauf zurück!

Eine Dichterin, die fast schon am Jahrhundert „kratzt“, lässt Fische fliegen! Und die Enkelin unterstützt dabei. Das kann ein Leseabenteuer werden - dachte ich mir und freute mich auf geschliffene Verse, bunte Bilder, blühende Sträucher, dunkle Wälder und all das, was Lyrikerinnen in vergangenen Zeiten ausmachte.
Es stimmt, wenn Friederike Krassnig reimt, dann stimmt der Reim, dann sind die Silben richtig gezählt und das Metrum ist in Ordnung. Das bedeutet: es gibt tatsächlich ein Lesevergnügen, denn sind wir ehrlich, wer kann das heute noch? Viele Allerweltslyriker (mehr die Lyrikerinnen als die Lyriker) meinen noch immer, sie seien, jene, die draufkommen, dass im Frühjahr die Blumen zu blühen beginnen und im Herbst die Blätter fallen. Nun, wir dürfen annehmen, sollte Friederike Krassnig jemals diese Phase gehabt haben, so ist sie längst vorbei. Im neuen Gedichtband  des Jahres 2019 ist nicht davon zu finden. Das sind Gedichte in einer Kraft und Schönheit, welche diese oftmals banalen Bilderbeschwörungen nicht notwendig haben. Ja, auch Friederike Krassnig und Mira Jana Krassnig huldigen der Möglichkeit mit willkürlichen Zeilenschaltungen Strophen zu konstruieren. Wenn es gekonnt ist, warum auch nicht. Gedankenabsätze, Einfälle, Brüche sind damit herstellbar und bekommen ein „Gesicht“. Die Zeilenschaltungen sind dann plötzlich nicht mehr willkürlich, sondern bewusst gesetzt.
Gehen wir ein wenig in den schmalen Band hinein und blättern nach vor und zurück, so wie es bei einem Gedichtband eben üblich und notwendig ist. Kein oder kaum ein Leser wird einen Gedichtband in einem Zug von vorne nach hinten durchlesen. Man schlägt auf, z. B. Seite 31 und findet „getürmter Schnee“. Nun lese ich dieses Gedicht Anfang November und es versetzt mich sehr intensiv in die bevorstehende Zeit, in welcher „getürmter Schnee/ in der Verwandlung/ zu  Eis/ gleich einem/
Verwunschenem Engel/ in strahlendem/Weiß.“ Keine Rede davon, dass dieser aufgetürmte Schnee dazu bestimmt ist, schmutzig, matschig zu werden, die Vergänglichkeit überlässt die Dichterin Anderen, sollen die sich schmutzig machen (im wahrsten Sinn), nein der Schnee wird letztlich „ein entflogener/Engel des Abends/aus dunkelndem Weiß.“ Also, ein Start, ein Einlesen wäre erfolgt. Nach Vor geblättert, Seite 11: „Der Krähen ausgehöhlter Schrei!“ Was für ein schönes Bild! Und welche Bildsprache ist da enthalten! Sogar die Jahreszeit Herbst mit den fallenden Blättern kommt lyrisch und stimmig zur Geltung: „zur Erde schwebt/in hoffnungslosen Träumen/ das erste fahle Blatt.“ Wer dieses Gedicht genau liest (und das sollte man bei Gedichten immer tun), wird merken, was ich zum Eingang bemerkte: da stimmt einfach alles: Rhythmus, Reim, Silbenzahl, Lesefluss.
So schön können Gedichte sein! Eines der Schönsten in diesem Band, mein absoluter Favorite, ist auf Seite 13 „Klippensprung“. Die Verlockung der Tiefe, die Bewegung des Sprunges, in so wenigen Zeilen dargestellt ist einfach meisterhaft.
Liebe Frau Krassnig! Haben Sie Dank, es hat mir wieder große Freude bereitet, Ihre bzw. Eure Gedichte zu lesen und ich wünsche den Fliegenden Fischen einen  starken Sog hin zu den Lesern.
Es ist gut und wichtig, dass von offiziellen Stellen Bücher gefördert werden, es ist traurig, dass dies notwendig ist. Daher freut es mich besonders, dass gerade auch dieser Band sowohl von „höchster Bundesebene“ (dem Bundeskanzleramt), als auch von einer regionalen Institution, der Stadtgemeinde Kapfenberg gefördert wurde.
Die Dichterin widmet diesen Band in der Einleitung dem Kapfenberger Dichter- und Lebenspartner Willi Kandlbauer, der im kommenden Jahr 2020 seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Es wird interessant, was sich die Stadt Kapfenberg zu Ehren dieses großartigen Schriftstellers einfallen lässt. Der Europa Literaturkreis Kapfenberg wird seines Mitbegründers ganz bestimmt würdig gedenken und dabei auch die Dichterkollegin Friederike Krassnig entsprechend berücksichtigen.

Hans Bäck



Am 1. November 2019

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