Edition Lex Liszt12
ISBN 978-399016-217-0
Der Lockdown hatte den Autor an den
Schreibtisch gefesselt und ihn sozusagen in eine Schreibwut gestürzt.
Das kann einen schon ärgern, wütend machen,
wenn man hinaus will und nicht darf oder nicht kann. Glücklich der, der sich
zum Computer setzen und drauf los fabulieren kann. Da ist es nicht
verwunderlich, wenn üppige „Kopfgeburten“ aus den Tasten purzeln. Ein wenig
erinnerten diese Texte an bestimmte surrealistische Witze. Solche nämlich, wo
der Zuhörer jemand braucht, der ihn kitzelt damit er zum Lachen kommt. Denn
allein vom „Überreissen“ ist da wenig zum Lachen. Vielleicht auch eine Folge
des Corona-Karzers, dass der Autor seine Leser anregen will, ‚Pass auf, so
einfach und glatt und verkehrt gestrickt ist das alles nicht‘.
Gut also, lassen wir uns darauf ein.
Was legt uns der Autor
da vor? Hypertexte steht im Vorsatz. Also, nachschlagen was das sein kann/sein
soll: „Hypertexte“ sind verknüpfte elektronische Texte - also Hypertexte.“ Aha.
Da ist Text drin, wo Text drauf steht. Und das www gibt auch darüber bereits
erschöpfend Auskunft, was Hypertexte sind, wie sie entstehen, wie sie zu lesen
wären, sie sind im Prinzip „Systeme mit einfachen Einheiten, assoziativen
Verknüpfungen und Browsing.“ Das ist nur eine Definition, es gibt noch weitere
„Systeme mit strukturierten Einheiten und typisierten Verknüpfungen. Das
Browsing beruht dabei auf dem Prinzip der direkten Manipulation auf
autorengeschützten Pfaden.“ Nein nicht weiter, jeder Leser möge sich selbst im
www. kundig machen.
Versuch, nun auf die Texte einzugehen,
dabei den Gedanken der permanenten Verknüpfung alles mit allem nicht zu vergessen.
Da haben wir gleich in der ersten Geschichte, nein, also im ersten Hypertext
die umwerfende Erkenntnis, dass Schmusen zuverlässig den Zahnstein entfernt. Ob
das nur mit einer Zahndozentin funktioniert und nur in Chicago lässt sich beim
ersten Knoten des Hypertextes noch nicht feststellen, dazu sind weitere
Detailbehandlungen notwendig. Diese werden allerdings von der Flugbegleitung
verhindert, da sie sittenwidrig seien und mit einem Rauswurf aus dem Flugzeug
ohne Fallschirm geahndet würden. Eine weitereHypergeschichte führt uns in die
Welt der Gebrüder Sinus und Cosinus. Nun ist die Mathematikmatura 2022 vorbei,
die Ergebnisse entsprachen weitgehend den Erwartungen, die Nachprüfungen (oder
wie sie nunmehr heißen) tragen nicht unwesentlich zur Verbesserung der
durchschnittlichen Jahreskennzahlen bei. Leipzig, Annabichl, München, Lessing,
Heine, Schubert, Hölderlin und einige andere stellen die in der
Hypertext-Vorgabe genannten Knoten dar, auf die der Autor zurückgreift und mit
Verve schildert, wie sich diese Begleiter ihrer Aufgabe als Knoten zur
Verknüpfung entziehen! Schubert will sogar im Innern des Vesuvs übernachten.
Dass eine Johanna zwar nicht die Heilige ist, aber den besten Stefaniebraten
macht, gehört zu den Wortspielen, an denen sich der Leser erfreuen kann, selbst
dann, wenn er die Geheimnisse und Zusammenhänge der Hypertexte erst mühsam
erarbeiten muss. Die Weihnachtsfeier bei der Hautärztin ist so ein
Musterbeispiel an Skurrilität, das man fast schon als exemplarisch für diese
Literaturvariante benennen könnte.
Wie bei Chobot zu erwarten, kommen auch
Texte, die „für Jugendliche unter 15 ½ Jahren ungeeignet sind“, ebenso solche,
„die für Jugendliche unter 17 ¾ Jahren ungeeignet“ wären.
Etwas bleibt dem Rezensenten aber doch zu
sagen: Kein Schriftsteller darf mit der Vergesslichkeit seiner Leser rechnen.
Von Wolfi Bauer stammt die Erkenntnis, dass man seine körperlichen Leiden
personalisieren muss. Bei Bauer wurden da die Magengeschwüre zur Mitzi, und bei
Chobot werden nun die Haushaltgegenstände personifiziert. Die Aussage auf Seite
216 „wenn der Text miserabel ist, brauchst du gute Schauspieler“ ist ja auch
nicht gerade eine Erkenntnisneuheit. Doch sei’s drum. Dichterische Freiheiten
sind auch in Hypertexten gestattet. Das führt zur 3. Richtlinie der
Hypertexttheorie: „Systeme mit strukturierten Einheiten und typisierten
Verknüpfungen. Das Browsing beruht auf der direkten Manipulation.“
Dass sich die Verdoppelung halbiert hat,
und daher Rainer Gedichte liest, belegt den 4. Hauptsatz der Theorie über
Hypertexte: „Systeme, die auf der Grundlage von wissensbasierten Techniken,
strukturierten Einheiten und typisierten Verknüpfungen beruhen. Dabei wird die
Navigation nach dialogischen und kooperativen Prinzipien organisiert.“
Der Rezensent wünscht allen Lesern der 365
Seiten, sich den (Fast-)Schlusssatz zu Herzen zu nehmen: „Zwar hatte keiner die
leiseste Ahnung, hielt damit jedoch hinter dem (Spiel-)Berg“
Hans Bäck