Sonntag, 30. Mai 2021

Buchvorstellung: „Die Telefonzelle am Ende der Welt“, Roman von Laura Imai Messina


btb - Verlag, ISBN 978-3-442-75896-8

 


„Ein Haiku des Herzens…“ Ich glaube, es war dieses Zitat der Londoner „Times“ das den Ausschlag gab, mir das Buch zu kaufen.

Zuvor hatten bereits die Gestaltung des Covers und der Titel mein Interesse geweckt. Es war für mich offensichtlich, dass der Roman in Japan angesiedelt ist. Nicht im „Wirtschafts-Japan“, sondern im „Gefühls-Japan“ – und obenstehendes Zitat war die Bestätigung dafür.

Tatsächlich sind die rund 350 Seiten vollgefüllt mit Empfindungen jeglicher Art. Damit sind nicht nur die psychischen Zustände der Protagonisten gemeint, sondern auch, wie diese formuliert werden.

Würde man beim Schreibstil nach Vergleichen suchen: Beim Essen wäre es Sushi, keine Pizza. Beim Werkzeug wohl die Pinzette, nicht der Hammer und es wäre Erotik statt Pornografie.

Die in Rom geborene Autorin hat das Buch in ihrer Muttersprache verfasst, kennt aber seit Jahren die japanischen Gepflogenheiten. Bereits ihr Studium führte sie in das fernöstliche Land, in dem sie inzwischen als Dozentin an mehreren Universitäten tätig ist. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Tokio.

Die italienische Originalausgabe „Quel che affidiamo al vento“ erschien 2020 und wurde im März 2021 von Judith Schwaab in ein gefühlvolles Deutsch übersetzt.

Aufbauend auf den realen Hintergrund der Tsunamikatastrophe vom 11. März 2011 wird die Aufarbeitung der Traumata dieses Ereignisses versucht.

Die Radiomoderatorin Yui verlor damals ihre Mutter und ihre kleine Tochter. Direkt auf Sendung wird sie mit den Ereignissen von damals konfrontiert. Ein Anrufer berichtet von einer Telefonzelle hoch im Norden Japans, von der aus man Verbindung mit seinen verstorbenen Angehörigen aufnehmen könne.

Yui zögert nicht lange. Ungläubig, sich trotzdem an diesem Hoffnungshalm festklammernd, macht sie sich auf den Weg. Eine Tagesreise entfernt findet sie den erwähnten Garten mit der Telefonzelle. Eine technische Verbindung mit irgendjemand wäre schon deshalb nicht möglich, weil der Telefonhörer offensichtlich nicht angeschlossen ist.

Der Wind sei es, der die Verbindung herstellen würde. Aber sie wagt es nicht, es auszuprobieren. Noch nicht.

Andere Besucher dieses magischen Ortes versuchen das Unmögliche.

Yui lernt in Bell Gardia Menschen und deren Schicksale kennen. Einer von ihnen ist der Arzt Takeshi, der beim Tsunami seine Frau verlor und dessen Tochter seit damals kein Wort mehr spricht. Neben all den anderen Begegnungen ist jene mit Takeshi die intensivste.

 

Im Schmerz gefangen.

Überall herrscht Dunkelheit.

Dennoch ist Hoffnung!

 

 

Josef Graßmugg

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