Die
ungleichen Kinder Evas
(ein Märchen aus
der Steiermark)
Adam und Eva
hatten eine sehr große Familie, die Zahl ihrer Kinder belief sich auf
neunhundert. Da kam einstmals Gott, sie zu besuchen. Eva schämte sich, Gott
einzugestehen, daß sie Mutter so vieler Kinder sei; sie nahm ihre neunhundert
Kinder, verbarg fünfhundert derselben und zeigte Gott nur die andern
vierhundert. Doch Gott in seiner Allwissenheit erkannte sogleich das Wahre und
beschloß, Eva dafür zu strafen. Er befahl ihr, auch die verborgenen Kinder
vorzuführen und verhieß den vierhundert, welche ihm Eva gezeigt hatte, daß ihre
Nachkommen reich, wohlhabend und glücklich werden sollten; die fünfhundert
andern Kinder aber, welche Eva verborgen hatte, sollten die Eltern der armen
und unglücklichen Menschen werden. Und so geschah es: Die Glücklichen und
Reichen dieser Welt stammen von den vierhundert Kindern, welche Eva Gott
freiwillig vorführte, und die Unglücklichen und Armen sind die Nachkommen der
fünfhundert Kinder Adams und Evas, welche vor Gott verborgen werden sollten.
Quelle: Germania, Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde 10,
1865, S. 429
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