Montag, 3. Dezember 2018

Adventskalender: 3. Dezember 2018



                                                              

Es ist an der Zeit

von Dagmar Weck

Greta und Friedrich, ein Ehepaar Mitte Fünfzig, betritt den Kleiderladen in der Innenstadt von Bochum.
Wohl gefüllt sind die Regale in dem Laden mit Hosen, Röcken, Pullovern, Jacken, Schuhen,
Blusen, mit warmer Unterwäsche für den Winter, einsortiert nach Größen, nach Kleidung für Damen und Herren, für Kinder, Teenies, alles ist gewaschen und teilweise gereinigt.
Ein kleiner Weihnachtsbaum mit roten und goldenen Kugeln sagt den Menschen, die hierher
kommen: „Fühlt Euch wohl, Ihr seid willkommen.“, kleine Lichterketten am Baum und im Laden verteilt, zeigen Weihnachten an.
Arm sind die Besucher, die Kleidung mitnehmen, alle, besser geht es denen, die Kleidung
bringen.
„Guten Tag, Anne“, begrüßen Greta und Friedrich  die Dame, die den Laden leitet, Anne und das Ehepaar umarmen sich, sie kennen sich schon lange.
„Heute bringt ihr aber viel mit“, Anne ist auch finanziell sparsam ausgerüstet und freut sich, „danke.“
Friedrich stellt drei große Taschen auf einen Tisch und packt die mitgebrachten Sachen aus.
„Anne, kommt  Lucas heute?, wir sind gespannt, was er sagt.

Auch Menschen, die draußen auf der Straße leben, finden den Weg in diesen Ort der Hoffnung.
Friedrich legt eine dicke Jacke beiseite.
Eine Mutter mit Kind kommt herein, auch Peter ist heute wieder da, er sucht sich Jeans aus, zwei Pullis, Unterwäsche, Anne packt ihm alles in eine Tüte.
„Schuhe habe ich noch, danke, nach Weihnachten komme ich wieder.“
Anne und das Ehepaar umarmen ihn: „Peter, bitte bleib heute Nacht nicht auf der Straße“.
Peter sagt dazu nichts und geht hinaus in die Kälte.
Um die Mutter mit Kind kümmert Anne sich dann und führt sie zu den Kindersachen
für Zehnjährige.
Ein bescheiden gekleideter Mann um die vierzig Jahre betritt den Laden.
„Lukas“, Greta und Friedrich gehen auf ihn zu, nehmen ihn in die Arme, er hat Tränen in seinen Augen, er weiß, was heute auf ihn zukommt.
Friedrich legt Lucas die  beiseite gelegt Jacke um die Schultern. Lucas betastet deren weiches Futter aus echtem Lammfell vorsichtig: „Sie ist so warm, so schön, die Jacke passt gut, für mich, wirklich?“
„Ja, sicher, Lucas“, Greta hält noch einen roten Pulli an die Jacke, „ hast du es dir überlegt, Lucas, kommst du gleich mit?.“
 „Hmhm“, Lucas nickt.

Der Laden ist voller geworden, Lucas, Greta und Friedrich nehmen Kleidung für Lucas mit
wünschen Anne und den Menschen, die hier Wärme und Hilfe finden,
ein frohes Weihnachtsfest und gehen in die Stadt hinaus.
Familien sehen sie mit wenigen eingekauften Sachen, Familien mit viel weihnachtlichen
Tüten, gut gekleidete Menschen, schlicht gekleidete und armselig angezogene
Menschen.
An großen Tannanbäumen kommen sie vorbei mit überdimensional geschmückten silbernen
Schleifen und Lichtern.

In einer Nebenstraße der Innenstadt  bleiben Lucas, Greta und Friedrich  vor einem größeren Mietshaus mit einer blauen Haustür stehen. „Hier ist es also?“ Lucas schaut an dem Haus hoch.

„Ja, willkommen, Lucas“, Friedrich schließt die Hautür auf, „hier wohnen wir,
 zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus, acht haben wir vermietet.“
Lucas  bleibt erst  im Hausflur stehen, dann folgt er dem Ehepaar in den dritten Stock.
„Sie dir  erst einmal die Wohnung an, Lucas“, Greta schließt sie auf., „ dann kannst du
sagen, ob du hier wohnen willst, du darfst nicht mehr auf der Straße bleiben.“
Die  Wohnung strahlt Wärme aus, sie hat eine kleine Küchenzeile, einen winzigen Flur, ein
Wohn-Schlafzimmer, ein Bad,  renoviert ist sie, ein bunter Weihnachtsteller steht auf dem Wohnzimmertisch, bewacht von einem geschmückten Tannenbäumchen.
„Magst du hier wohnen, Lucas, du braucht keine Miete zu bezahlen“.
„Das habt ihr mir ja schon gesagt, warum darf ich hier umsonst wohnen?“
„Weil wir dich gern haben“.

Lucas schreitet langsam durch das Wohn-Schlafzimmer, schaut auf den kleinen Balkon, berührt die Küchenzeile.
„Ja, danke, hier möchte ich leben, ja, ja.“
Er drückt Gretas und Friedrichs Hand, noch wagt er nicht, sie von sich aus in seine Arme zu nehmen, das Ehepaar tut es, nimmt den neuen Freund in seine Arme, wir wohnen ein Stockwerk über dir, Lucas, gleich zeigen wir dir unsere Wohnung“.
Drei Menschen beschenken sich, Lucas hat verstanden, die Straße ist  kein Raum für ihn, dort würde er sich verlieren,
Greta und Friedrich haben verstanden, was Weihnachten bedeutet., jemandem ein Zuhause zu geben.

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