Es ist an der Zeit
von Dagmar Weck
Greta und Friedrich, ein Ehepaar Mitte Fünfzig, betritt den
Kleiderladen in der Innenstadt von Bochum.
Wohl gefüllt sind die Regale in dem Laden mit Hosen, Röcken,
Pullovern, Jacken, Schuhen,
Blusen, mit warmer Unterwäsche für den Winter, einsortiert
nach Größen, nach Kleidung für Damen und Herren, für Kinder, Teenies, alles ist
gewaschen und teilweise gereinigt.
Ein kleiner Weihnachtsbaum mit roten und goldenen Kugeln
sagt den Menschen, die hierher
kommen: „Fühlt Euch wohl, Ihr seid willkommen.“, kleine
Lichterketten am Baum und im Laden verteilt, zeigen Weihnachten an.
Arm sind die Besucher, die Kleidung mitnehmen, alle, besser
geht es denen, die Kleidung
bringen.
„Guten Tag, Anne“, begrüßen Greta und Friedrich die Dame, die den Laden leitet, Anne und das
Ehepaar umarmen sich, sie kennen sich schon lange.
„Heute bringt ihr aber viel mit“, Anne ist auch finanziell
sparsam ausgerüstet und freut sich, „danke.“
Friedrich stellt drei große Taschen auf einen Tisch und
packt die mitgebrachten Sachen aus.
„Anne, kommt Lucas
heute?, wir sind gespannt, was er sagt.
Auch Menschen, die draußen auf der Straße leben, finden den
Weg in diesen Ort der Hoffnung.
Friedrich legt eine dicke Jacke beiseite.
Eine Mutter mit Kind kommt herein, auch Peter ist heute
wieder da, er sucht sich Jeans aus, zwei Pullis, Unterwäsche, Anne packt ihm
alles in eine Tüte.
„Schuhe habe ich noch, danke, nach Weihnachten komme ich
wieder.“
Anne und das Ehepaar umarmen ihn: „Peter, bitte bleib heute
Nacht nicht auf der Straße“.
Peter sagt dazu nichts und geht hinaus in die Kälte.
Um die Mutter mit Kind kümmert Anne sich dann und führt sie
zu den Kindersachen
für Zehnjährige.
Ein bescheiden gekleideter Mann um die vierzig Jahre betritt
den Laden.
„Lukas“, Greta und Friedrich gehen auf ihn zu, nehmen ihn in
die Arme, er hat Tränen in seinen Augen, er weiß, was heute auf ihn zukommt.
Friedrich legt Lucas die
beiseite gelegt Jacke um die Schultern. Lucas betastet deren weiches
Futter aus echtem Lammfell vorsichtig: „Sie ist so warm, so schön, die Jacke
passt gut, für mich, wirklich?“
„Ja, sicher, Lucas“, Greta hält noch einen roten Pulli an
die Jacke, „ hast du es dir überlegt, Lucas, kommst du gleich mit?.“
„Hmhm“, Lucas nickt.
Der Laden ist voller geworden, Lucas, Greta und Friedrich
nehmen Kleidung für Lucas mit
wünschen Anne und den Menschen, die hier Wärme und Hilfe
finden,
ein frohes Weihnachtsfest und gehen in die Stadt hinaus.
Familien sehen sie mit wenigen eingekauften Sachen, Familien
mit viel weihnachtlichen
Tüten, gut gekleidete Menschen, schlicht gekleidete und
armselig angezogene
Menschen.
An großen Tannanbäumen kommen sie vorbei mit überdimensional
geschmückten silbernen
Schleifen und Lichtern.
In einer Nebenstraße der Innenstadt bleiben Lucas, Greta und Friedrich vor einem größeren Mietshaus mit einer blauen
Haustür stehen. „Hier ist es also?“ Lucas schaut an dem Haus hoch.
„Ja, willkommen, Lucas“, Friedrich schließt die Hautür auf,
„hier wohnen wir,
zehn Wohnungen gibt
es in diesem Haus, acht haben wir vermietet.“
Lucas bleibt
erst im Hausflur stehen, dann folgt er
dem Ehepaar in den dritten Stock.
„Sie dir erst einmal
die Wohnung an, Lucas“, Greta schließt sie auf., „ dann kannst du
sagen, ob du hier wohnen willst, du darfst nicht mehr auf
der Straße bleiben.“
Die Wohnung strahlt
Wärme aus, sie hat eine kleine Küchenzeile, einen winzigen Flur, ein
Wohn-Schlafzimmer, ein Bad,
renoviert ist sie, ein bunter Weihnachtsteller steht auf dem Wohnzimmertisch,
bewacht von einem geschmückten Tannenbäumchen.
„Magst du hier wohnen, Lucas, du braucht keine Miete zu
bezahlen“.
„Das habt ihr mir ja schon gesagt, warum darf ich hier
umsonst wohnen?“
„Weil wir dich gern haben“.
Lucas schreitet langsam durch das Wohn-Schlafzimmer, schaut
auf den kleinen Balkon, berührt die Küchenzeile.
„Ja, danke, hier möchte ich leben, ja, ja.“
Er drückt Gretas und Friedrichs Hand, noch wagt er nicht,
sie von sich aus in seine Arme zu nehmen, das Ehepaar tut es, nimmt den neuen
Freund in seine Arme, wir wohnen ein Stockwerk über dir, Lucas, gleich zeigen
wir dir unsere Wohnung“.
Drei Menschen beschenken sich, Lucas hat verstanden, die
Straße ist kein Raum für ihn, dort würde
er sich verlieren,
Greta und Friedrich haben verstanden, was Weihnachten
bedeutet., jemandem ein Zuhause zu geben.
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