Lasst ihn doch
endlich in Ruhe!
Den armen Chorherren auf der Festenburg, den Ottokar
Kernstock!
Was wird da gejammert und gejeiert, was werden Pläne
gewälzt, was alles umbenannt werden sollte. Die Kernstockstraßen, - die
Kernstockgassen, das Kernstockhaus auf dem Rennfeld und so weiter. Die
Bilderstürmer sind anscheinend unterwegs!
Der Kernstock war natürlich ein deutschnationaler Dichter,
aber allein schon aufgrund seiner Lebensdaten konnte er gar nie ein Nazi sein!
Er starb nämlich bereits 1928 auf der Festenburg in der Oststeiermark!
Selbstverständlich hat er blöde Verse geschrieben, hat er Hetzartikel verfasst,
alles in der Zeit, als der Nationalismus ausbrach! Seine
chauvinistische-blutrünstige Kriegslyrik, mein Gott, wer wird das heute noch
lesen wollen? Lachen wir darüber! Immerhin gab es Bestrebungen ihn 1916 an
Lehrer Pädagogik als Dozent für Poetik, Rhetorik und Stilistik zu berufen, der Karl Kraus zerriss
ihn und sein Schaffen in der “Fackel“. Es wird schon seinen Grund gehabt haben,
warum ihn sein Orden in den hintersten Graben der Oststeiermark steckt und ihn
dort beließ. Lassen wir ihn auch ruhen,
und die paar Straßennamen werden keine Assoziationen zur NS Zeit hervorrufen!
Denn dann müsste man schon auch andere Umbenennungen
vornehmen! Dann dürften wir keinen Zweigelt mehr trinken, denn der Friedrich
Zweigelt, der Direktor der Landesobst- und Weinbauschule war nicht nur überzeugter
Nazi, illegales Mitglied der NDSDAP seit 1933 und hat zeitlebens davon
profitiert. 1975 wurde dann der Name Zweigelt für den beliebten Rotwein in
Österreich allgemein gültig ausgewählt. Also, wer Kernstock weghaben will, darf
auch keinen Zweigelt mehr trinken!
Aber das geht ja noch weiter! Dann müssten wir auch unser
Alpenstadion wieder zurück benennen, der liebenswerte gute Franz Fekete, oder
Heinrich Scheibengraf dürfte auch keine Straße benennen. Denn, zum Unterschied
vom Kernstock, der allein schon auf
Grund seiner Lebensdaten nie bei der NSDAP oder gar SS gewesen sein konnte,
aber nein lassen wir da die aufrechten Antifaschisten werden sich schon was
gedacht haben, bei der Namensgebung.
Also, lassen wir den Kernstock in Ruhe, trinken gemütlich
ein Glas Zweigelt, gehen am Wochenende zu einem Fußballmatch ins Franz Fekete
Stadion und fahren durch die Heinrich Scheibengraf Straße hinaus auf die
Wienerstraße. Wir wollen ja keine Bilderstürmer sein!
Der nächste Punkt ist schon weitaus ärgerlicher:
Wo ist die
Europastadt Kapfenberg denn hingekommen?
Bei den Ortseinfahrten standen jahrzehntelang die stolzen
Hinweise „Kapfenberg Europastadt“, es gibt einen Europaplatz, einen Euromarkt,
ein Einkaufscentrum Europaplatz, eine Europa-Apotheke, einen Euro-Spar, ein
European street food festival, und Eurocity Railjets bleiben auch stehen.
Irgendwo im Hinterhof der Stadtgemeinde sogar die Europafahne. Gibt es im
Gemeinderat einen Europa-Beauftragten? Im Zuständigkeitsregister auf der
Homepage ist von A wie Abfallbeauftragter bis Z wie Zivilschutzbeauftragter
alles enthalten, unter E sucht man Europa vergeblich.
Es gibt die Städtefreundschaft mit Frechen, die auch schon
sehr reduziert und schaumgebremst ist, zumindest seit dem Zeitpunkt, da in
Frechen es im dortigen Gemeinderat keine SPD-Mehrheit mehr gibt (sollen sich
die Kapfenberger Roten mit den Frechener Schwarzen treffen und Meinungen
austauschen? – Wo kommen wir da hin!). Die Homepage der Stadt Kapfenberg
enthält keinen Hinweis auf die „Europastadt“ wurde diese heimlich still und
leise geopfert? Womöglich im vorauseilenden Gehorsam um den zu erwartenden
Rechtsruck bei der nächsten GR-Wahl bereits Rechnung zu tragen? Es ist ja
bekannt, dass die Blauen mit Europa nix am Hut haben.
Gibt es keine aktuellen Städtevereinigungen um den
Europagedanken weiterzutragen? Wäre es nicht an der Zeit, die momentan – nicht
nur in Österreich – so richtig Europamüde aussieht, über Europa mehr
nachzudenken, mehr daraus zu machen? Nicht nur immer daran denken, was „Brüssel
alles verordnet“, und dabei zu vergessen, dass alles was aus Brüssel kommt, von
den Nationalstaaten mitbeschlossen wurde.
Es schaut traurig aus mit Europa in Kapfenberg!
Ach ja, den gibt
es noch! Der Europa-Literaturkreis Kapfenberg hält die Europafahne hoch!
Wenigstens jemand der das Europa nicht nur im Namen vor sich herträgt, sondern
mit seinen Mitgliedern auch lebt! Immerhin sind von den mehr als 90 Mitgliedern
des Europa Literaturkreises Kapfenberg 20 Europäer (und 2 „Überseeische“) Der
Austausch der Mitglieder untereinander ist in jedem Jahr beachtlich. So sind
die Kapfenberger Litxeraten immer wieder zu Lesungen und Veranstaltungen in
Deutschland, Italien, Polen, Frankreich unterwegs, anderseits kommen die
Kollegen aus diesen Ländern zu uns zu den Biennalen, den Literaturworkshops und
tragen so einen schönen Anteil zu den Nächtigungszahlen bei. Die jährlichen
Präsentationen des „Reibeisen“ bringen weiters immer wieder Autorinnen und
Autoren in die Stadt. Seit vielen Jahren ist es ein fixer Bestandteil jedes
„Reibeisens“ die Literatur nicht nur der Nachbarländer sondern darüber hinaus
aus Europa vorzustellen. Literatur aus Bulgarien, Polen, Russland, Frankreich
in den letzten Ausgaben, aber bereits früher wurden die „Nachbarländer“
vorgestellt – nicht nur literarisch, sondern auch in ihrer Geschichte,
Wirtschaft, Politik. Wenn Europa in Kapfenberg irgendwo noch lebendig ist, dann
im Europa Literaturkreis, dem auch insofern Rechnung getragen wurde, dass seit
einigen Jahren eine zusätzliche „Deutsche
Redaktion“ für das Reibeisen gegründet wurde.
Wenn Kapfenberg also keine Europastadt mehr sein will, der
Literaturkreis bleibt der Idee Europa treu!
Und zum Abschluss, sozusagen, zum Drüberstreuen:
Mazedonien,
Nord-Mazedonien, Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien ...
Namensstreit und kein Ende! Man ist geneigt als
Mitteleuropäer, EU-Mitglied darüber den Kopf zu schütteln, „ja haben die keine
anderen Sorgen?“
Natürlich haben sie diese, und wir hauptamtliche
Mitteleuropäer werden nicht müde darauf hinzuweisen, was „diese dort unten“ an
anderen Sorgen haben. Mit voller Überzeugung sprechen wir davon, dass in der
Justiz, mit der Pressefreiheit, der Korruption und was weiß ich noch alles
aufgeräumt gehörte, so als ob wir das alles schon erledigt hätten und selber
keinen Bedarf in diesen Schwerpunkten hätten! Ja schön wär es, aber es ist ja
so leicht, anderen zu sagen, was man selber gar nie in Angriff nehmen würde!
Aber zurück zum Namensstreit. Ich gebe schon zu, es kann so
etwas sehr heikel werden, Ich denke daran, wie vor 80 Jahren die Ostmark
ausgerufen wurde und Österreich von der Landkarte verschwand. Hat jemand ein
Bedürfnis in einer Ostmark zu leben? Ich jedenfalls nicht. Ich könnte mir auch
keinen Namen wie z. B. Süd-Deutschland oder Klein-Deutschland oder umgekehrt
für den großen Nachbarn die Bezeichnung Groß-Österreich oder Nord-Österreich
vorstellen. Es hat schon was mit den Namen für Länder!
Also, wenn sich die Staatsmänner auf einen Kompromiss
einigen, sollte man annehmen, jetzt geht es! Aber anscheinend doch nicht!
Wobei das mit den Kompromissen sowieso eine Sache ist. Ich
denke nur an die lächerliche Auseinandersetzung um die Grenze zwischen
Slowenien und Kroatien in der Bucht von Piran! Ich hin oft in Piran und kann
schauen soviel ich will, den berühmten Grenzstrich (wir erinnern uns in den
Atlanten waren Grenzen meist als Strich-Punkt-Linie angegeben) habe ich noch
nie im Wasser der Bucht gesehen! Da könnte man wirklich sagen, ja haben die
sonst keine Sorgen?
Und als vor kurzen mir jemand sagte, er fahre nicht mehr
nach Kroatien, weil nirgends auf der Welt so viele nicht verurteilte Mörder
herumlaufen, so muss ich ihm beipflichten, vielleicht noch erweitern auf alle
jugoslawischen Nachfolgestaaten!
Da meine ich, das ist das größte Problem der Menschen mit
dem Zusammenleben. Womöglich, der Nachbar weiß vom anderen Nachbarn und hütet
sich, denn die Kalaschnikov ist immer noch vorhanden - und sie wird im
ehemaligen Autowerk Zastava – ja das war der „Jugo Fiat“ - noch immer
hergestellt und mit Erfolg in alle Krisengebiete der Welt geliefert – ein
Exportschlager sondergleichen!
Möchte jemand den Ländern „dort unten“ Ratschläge bezüglich
Namensstreitereien geben? Ich weiß nicht, ob nicht ...
Nein auch keine anderen Ratschläge (warum stecken in diesem
blöden Wort so unverhohlen die Schläge drinnen???), es steht uns nicht zu!
Hoffen wir auf die Vernunft, die immer noch von der Macht
der Wirtschaft ausgeht, ohne den Zwang und dem Druck der Ökonomen würden wir
heute noch immer keine Europäische Union haben! Auf die Kultur und die
Kulturschaffenden darf man sich bei solchen Vorhaben nicht verlassen, das geht
nur über den Druck der Börsen, des Kapitals – alle die das nicht wahrhaben
wollen, sollen sich die Entstehung der EU anschauen! Und wenn die Menschen in
Mazedonien, Nord-Mazedonien, der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien
draufkommen, welche Lebensstandard-Entwicklungen in einer EU möglich sind, dann
wird die Namensgebung bald jene untergeordnete Rolle spielen, die ihr
eigentlich zusteht!
Bis Ende Oktober, verehrte Leser verbleibe ich und sammle
inzwischen all das auf, was mich ärgert!
Euer Hans Bäck
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