Dienstag, 9. Oktober 2018

September – Altweibersommer – Erntezeit – Nachlesezeit


Fangen wir mit etwas vergleichsweise Harmlosen an:

Lasst ihn doch endlich in Ruhe!

Den armen Chorherren auf der Festenburg, den Ottokar Kernstock!
Was wird da gejammert und gejeiert, was werden Pläne gewälzt, was alles umbenannt werden sollte. Die Kernstockstraßen, - die Kernstockgassen, das Kernstockhaus auf dem Rennfeld und so weiter. Die Bilderstürmer sind anscheinend unterwegs!
Der Kernstock war natürlich ein deutschnationaler Dichter, aber allein schon aufgrund seiner Lebensdaten konnte er gar nie ein Nazi sein! Er starb nämlich bereits 1928 auf der Festenburg in der Oststeiermark! Selbstverständlich hat er blöde Verse geschrieben, hat er Hetzartikel verfasst, alles in der Zeit, als der Nationalismus ausbrach! Seine chauvinistische-blutrünstige Kriegslyrik, mein Gott, wer wird das heute noch lesen wollen? Lachen wir darüber! Immerhin gab es Bestrebungen ihn 1916 an Lehrer Pädagogik als Dozent für Poetik, Rhetorik und  Stilistik zu berufen, der Karl Kraus zerriss ihn und sein Schaffen in der “Fackel“. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, warum ihn sein Orden in den hintersten Graben der Oststeiermark steckt und ihn dort beließ. Lassen wir ihn  auch ruhen, und die paar Straßennamen werden keine Assoziationen zur NS Zeit hervorrufen!
Denn dann müsste man schon auch andere Umbenennungen vornehmen! Dann dürften wir keinen Zweigelt mehr trinken, denn der Friedrich Zweigelt, der Direktor der Landesobst- und Weinbauschule war nicht nur überzeugter Nazi, illegales Mitglied der NDSDAP seit 1933 und hat zeitlebens davon profitiert. 1975 wurde dann der Name Zweigelt für den beliebten Rotwein in Österreich allgemein gültig ausgewählt. Also, wer Kernstock weghaben will, darf auch keinen Zweigelt mehr trinken!
Aber das geht ja noch weiter! Dann müssten wir auch unser Alpenstadion wieder zurück benennen, der liebenswerte gute Franz Fekete, oder Heinrich Scheibengraf dürfte auch keine Straße benennen. Denn, zum Unterschied vom Kernstock, der allein schon  auf Grund seiner Lebensdaten nie bei der NSDAP oder gar SS gewesen sein konnte, aber nein lassen wir da die aufrechten Antifaschisten werden sich schon was gedacht haben, bei der Namensgebung.
Also, lassen wir den Kernstock in Ruhe, trinken gemütlich ein Glas Zweigelt, gehen am Wochenende zu einem Fußballmatch ins Franz Fekete Stadion und fahren durch die Heinrich Scheibengraf Straße hinaus auf die Wienerstraße. Wir wollen ja keine Bilderstürmer sein!

Der nächste Punkt ist schon weitaus ärgerlicher:

Wo ist die Europastadt Kapfenberg denn hingekommen?

Bei den Ortseinfahrten standen jahrzehntelang die stolzen Hinweise „Kapfenberg Europastadt“, es gibt einen Europaplatz, einen Euromarkt, ein Einkaufscentrum Europaplatz, eine Europa-Apotheke, einen Euro-Spar, ein European street food festival, und Eurocity Railjets bleiben auch stehen. Irgendwo im Hinterhof der Stadtgemeinde sogar die Europafahne. Gibt es im Gemeinderat einen Europa-Beauftragten? Im Zuständigkeitsregister auf der Homepage ist von A wie Abfallbeauftragter bis Z wie Zivilschutzbeauftragter alles enthalten, unter E sucht man Europa vergeblich.

Es gibt die Städtefreundschaft mit Frechen, die auch schon sehr reduziert und schaumgebremst ist, zumindest seit dem Zeitpunkt, da in Frechen es im dortigen Gemeinderat keine SPD-Mehrheit mehr gibt (sollen sich die Kapfenberger Roten mit den Frechener Schwarzen treffen und Meinungen austauschen? – Wo kommen wir da hin!). Die Homepage der Stadt Kapfenberg enthält keinen Hinweis auf die „Europastadt“ wurde diese heimlich still und leise geopfert? Womöglich im vorauseilenden Gehorsam um den zu erwartenden Rechtsruck bei der nächsten GR-Wahl bereits Rechnung zu tragen? Es ist ja bekannt, dass die Blauen mit Europa nix am Hut haben.

Gibt es keine aktuellen Städtevereinigungen um den Europagedanken weiterzutragen? Wäre es nicht an der Zeit, die momentan – nicht nur in Österreich – so richtig Europamüde aussieht, über Europa mehr nachzudenken, mehr daraus zu machen? Nicht nur immer daran denken, was „Brüssel alles verordnet“, und dabei zu vergessen, dass alles was aus Brüssel kommt, von den Nationalstaaten mitbeschlossen wurde.

Es schaut traurig aus mit Europa in Kapfenberg!

Ach ja, den gibt es noch! Der Europa-Literaturkreis Kapfenberg hält die Europafahne hoch! Wenigstens jemand der das Europa nicht nur im Namen vor sich herträgt, sondern mit seinen Mitgliedern auch lebt! Immerhin sind von den mehr als 90 Mitgliedern des Europa Literaturkreises Kapfenberg 20 Europäer (und 2 „Überseeische“) Der Austausch der Mitglieder untereinander ist in jedem Jahr beachtlich. So sind die Kapfenberger Litxeraten immer wieder zu Lesungen und Veranstaltungen in Deutschland, Italien, Polen, Frankreich unterwegs, anderseits kommen die Kollegen aus diesen Ländern zu uns zu den Biennalen, den Literaturworkshops und tragen so einen schönen Anteil zu den Nächtigungszahlen bei. Die jährlichen Präsentationen des „Reibeisen“ bringen weiters immer wieder Autorinnen und Autoren in die Stadt. Seit vielen Jahren ist es ein fixer Bestandteil jedes „Reibeisens“ die Literatur nicht nur der Nachbarländer sondern darüber hinaus aus Europa vorzustellen. Literatur aus Bulgarien, Polen, Russland, Frankreich in den letzten Ausgaben, aber bereits früher wurden die „Nachbarländer“ vorgestellt – nicht nur literarisch, sondern auch in ihrer Geschichte, Wirtschaft, Politik. Wenn Europa in Kapfenberg irgendwo noch lebendig ist, dann im Europa Literaturkreis, dem auch insofern Rechnung getragen wurde, dass seit einigen Jahren eine zusätzliche  „Deutsche Redaktion“ für das Reibeisen gegründet wurde.
Wenn Kapfenberg also keine Europastadt mehr sein will, der Literaturkreis bleibt der Idee Europa treu!


Und zum Abschluss, sozusagen, zum Drüberstreuen:

Mazedonien, Nord-Mazedonien, Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien ...

Namensstreit und kein Ende! Man ist geneigt als Mitteleuropäer, EU-Mitglied darüber den Kopf zu schütteln, „ja haben die keine anderen Sorgen?“
Natürlich haben sie diese, und wir hauptamtliche Mitteleuropäer werden nicht müde darauf hinzuweisen, was „diese dort unten“ an anderen Sorgen haben. Mit voller Überzeugung sprechen wir davon, dass in der Justiz, mit der Pressefreiheit, der Korruption und was weiß ich noch alles aufgeräumt gehörte, so als ob wir das alles schon erledigt hätten und selber keinen Bedarf in diesen Schwerpunkten hätten! Ja schön wär es, aber es ist ja so leicht, anderen zu sagen, was man selber gar nie in Angriff nehmen würde!
Aber zurück zum Namensstreit. Ich gebe schon zu, es kann so etwas sehr heikel werden, Ich denke daran, wie vor 80 Jahren die Ostmark ausgerufen wurde und Österreich von der Landkarte verschwand. Hat jemand ein Bedürfnis in einer Ostmark zu leben? Ich jedenfalls nicht. Ich könnte mir auch keinen Namen wie z. B. Süd-Deutschland oder Klein-Deutschland oder umgekehrt für den großen Nachbarn die Bezeichnung Groß-Österreich oder Nord-Österreich vorstellen. Es hat schon was mit den Namen für Länder!
Also, wenn sich die Staatsmänner auf einen Kompromiss einigen, sollte man annehmen, jetzt geht es! Aber anscheinend doch nicht!

Wobei das mit den Kompromissen sowieso eine Sache ist. Ich denke nur an die lächerliche Auseinandersetzung um die Grenze zwischen Slowenien und Kroatien in der Bucht von Piran! Ich hin oft in Piran und kann schauen soviel ich will, den berühmten Grenzstrich (wir erinnern uns in den Atlanten waren Grenzen meist als Strich-Punkt-Linie angegeben) habe ich noch nie im Wasser der Bucht gesehen! Da könnte man wirklich sagen, ja haben die sonst keine Sorgen?
Und als vor kurzen mir jemand sagte, er fahre nicht mehr nach Kroatien, weil nirgends auf der Welt so viele nicht verurteilte Mörder herumlaufen, so muss ich ihm beipflichten, vielleicht noch erweitern auf alle jugoslawischen Nachfolgestaaten!
Da meine ich, das ist das größte Problem der Menschen mit dem Zusammenleben. Womöglich, der Nachbar weiß vom anderen Nachbarn und hütet sich, denn die Kalaschnikov ist immer noch vorhanden - und sie wird im ehemaligen Autowerk Zastava – ja das war der „Jugo Fiat“ - noch immer hergestellt und mit Erfolg in alle Krisengebiete der Welt geliefert – ein Exportschlager sondergleichen!

Möchte jemand den Ländern „dort unten“ Ratschläge bezüglich Namensstreitereien geben? Ich weiß nicht, ob nicht ...
Nein auch keine anderen Ratschläge (warum stecken in diesem blöden Wort so unverhohlen die Schläge drinnen???), es steht uns nicht zu!
Hoffen wir auf die Vernunft, die immer noch von der Macht der Wirtschaft ausgeht, ohne den Zwang und dem Druck der Ökonomen würden wir heute noch immer keine Europäische Union haben! Auf die Kultur und die Kulturschaffenden darf man sich bei solchen Vorhaben nicht verlassen, das geht nur über den Druck der Börsen, des Kapitals – alle die das nicht wahrhaben wollen, sollen sich die Entstehung der EU anschauen! Und wenn die Menschen in Mazedonien, Nord-Mazedonien, der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien draufkommen, welche Lebensstandard-Entwicklungen in einer EU möglich sind, dann wird die Namensgebung bald jene untergeordnete Rolle spielen, die ihr eigentlich zusteht!


Bis Ende Oktober, verehrte Leser verbleibe ich und sammle inzwischen all das auf, was mich ärgert!

Euer Hans Bäck

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