von Hans Bäck
Kapfenberg
Kapfenberg
Nein, keine Angst, man soll nicht glauben, dass der Stoff
aus dem die monatlichen Raunzereien gemacht sind ausgeht. Allein das Wort
„raunzen“ ist ja schon eine Kostbarkeit. Angeblich stammt es althochdeutsch vom
„ronezon“ = murren ab und bedeutet heute weinerlich klagen, dauernd unzufrieden
sein.
Ja, zum Teufel noch einmal, soll man nicht dauern
unzufrieden sein und raunzen?
Allenthalben geht es mir gegen den Strich, wie mit der
Sprache umgegangen wird. Nein, keine neuerliche Klage über das „gendergerechte“
Schreiben – darüber hatte ich mich schon einmal aufgeregt (werde es bei Bedarf
weiterhin tun), ärgere mich nach wie vor darüber und vermeide es persönlich so
weit als möglich. Daher, diesmal keine Seitenhiebe gegen die „Kabarettinnen“
und „Kabaretten“ obwohl, ein wenig in das Kabarett hineinstochern möchte ich
trotzdem.
Also, was zuerst? Kabarett? Sprachverhunzung?
Kabarett: speziell politisches Kabarett ist unglaublich
wichtig und die Texteschreiber für Kabarettisten können sich bei den Wählern
bedanken, dass die Wahlen so ausgegangen sind, wie sie ausgegangen sind. Das
ist doch toll, nun kann jeder viertklassige Kabarettist (wobei die
Kabarettistinnen immer mitgemeint sind) nach Herzenslust losziehen und loslegen.
Das zustimmende Wiehern des Publikums am Abend ist gesichert, es genügt nur
sich vorzustellen, wie der durchschnittliche österreichische Polizist sich auf
einem Pferd in der Wiener Innenstadt ausmacht. Wie hießt es seinerzeit im
legendären Watschenmann (der sollte übrigens als Lehrbeispiel für alle derzeit
tätigen Kabarettisten dienen – das war damals Kabarett in höchster Vollendung!)
doch zurück zum Watschenmann: „Solchene Sachen lassen sich nicht erfinden –
nicht einmal von unserem Etablissement“ Nein, die besten Kabarettszenen liefert
immer noch die tägliche Politik – daher Dankgottesdienste aller in Kabaretts
Tätigen, dass die Wahlen so ausgingen, wie sie ausgegangen sind. So schön lässt
sich über den Rechtsruck Österreichs, Ungarns, Polens, ja selbst Deutschlands
(AfD!!) räsonieren. Mein Gott, was kann oder könnte man da an guten Texten
machen – könnte! Konjunktiv! Vergessen wird dabei eine Kleinigkeit. Nämlich die
Wahlbeteiligung. In allen Staaten, die ich (zugegeben unvollständig) anführte
lag die Wahlbeteiligung deutlich unter den Werten der Vergangenheit. Was heißt
das nun für das Kabarett und speziell für das politische im Besonderen? Nach
der Wahl in Salzburg hat das SORA Institut erhoben, dass die Wahlbeteiligung
bei der Landtagswahl nur mehr knapp über 60% lag. Und dann kommts: Die SPÖ
stürzte auf den niedrigsten Wert aller Zeit ab und 20% der früheren SPÖ Wähler blieben zu Hause. Die Grünen
verloren ebenfalls fast die Hälfte ihrer früheren Wähler, weil lt. SORA 16% der früheren Grünwähler nicht zur Wahl
gingen!
Daraus lässt sich natürlich kein Kabaretttext machen, ebenso aus der Tatsache, dass dieses
Phänomen bereits vor drei Jahren in Polen auftrat, dann eben in Deutschland
(besonders in den sogenannten Neuen Bundesländern), danach in Ungarn und eben
auch in Österreich – schon bei der NR Wahl im Herbst 2017 und erst recht in den
Landtagswahlen im heurigen Jahr. Aber darüber einen Kabarettszene zu schreiben,
nein, das lohnt nicht.
1958 forderte der Schriftsteller, Dramatiker G. Weissenborn
in seiner „Göttinger Kantate“: Denken
Sie Ihren Gedanken zu Ende!“ Darüber sollte man (auch) nachdenken! Von
allen Ecken, Türmen und Toren ertönt der Ruf „Wehret den Anfängen“
Nachzudenken, zu Ende denken und nicht irgendwo an einem Schlagwort hängen
bleiben – weil es so schön aktuell ist oder ein guter Sager scheint – nein,
wirklich zu Ende denken! Zum Ende hin denken!
Welche Denkverbote und Denktabus gelten – schon wieder?
„Wehret den Anfängen“ und dabei die Grenzen der Meinungsfreiheit markieren? Das
ist doch keine Einbahnstraße! Wer gibt jemand das Recht zu fordern, „der oder
die“ müsse weg? Wehret den Anfängen! Der gewöhnliche Alltagsfaschismus hat
keine eindeutige politische Orientierung! Es gibt ihn von Rechts – no na – es
gibt ihn von Links – siehe da!
Zugegeben, es gibt sympathischere Politiker als den derzeit
amtierenden Innenminister der Republik Österreich, aber im Chor zu rufen „Der
muss weg“ – Nein! Sicher, sein Engagement für Polizeipferde, die Verschärfungen
im Asylrecht, seine Umfärbungen im Apparat, all das darf, soll und muss man
kritisieren. Doch wer gibt Demonstranten das Recht zu fordern „Der Kickl muss
weg!“ Hat er Frauen begrapscht? Nazilieder gesungen? In einer Demokratie muss
es möglich sein, andere Meinungen zu haben und diese mit einer gewählten
Mehrheit auch umzusetzen! Nein, die Verschärfungen des Asylrechtes dürfen so
nicht kommen – einverstanden – es ist unanständig, den Asylwerbern ihr Geld
abzunehmen, es ist sicher zweifelhaft, wie bei Aktion im BVT vorgegangen wurde,
man kann aber auch der Meinung sein, dass die Spiele in islamischen Moscheen
und Kindergärten nicht unserem Verständnis von Kultur entsprechen, all das
bedenke ich selbstverständlich. Und wenn jemand mit der gewählten Mehrheit und
deren Entscheidungen nicht einverstanden ist, dann hätten diese eben ihre
Anhänger mobilisieren sollen und zur Wahl gehen! Aber: „Der Kickl muss weg“ -
genau jene, welche Toleranz einfordern, sollten die sein, die für das bessere
Argument eintreten, Lösungen suchen. Leider ist es wieder einmal unmöglich, nicht den berühmten Satz von Voltaire
zu zitieren: „Ich missbillige Ihre Meinung, aber ich werde alles daran setzen,
dass Sie diese sagen dürfen!“
Gut, nein, nicht gut, was hat das mit meiner monatlichen
Raunzerei konkret zu tun?
Die Präsentation des Reibeisen Nr. 35 in Kapfenberg geriet
zu einem Polit-Kabarett, das nicht einmal von großer Qualität war. Bitte
auseinander zu halten: eine Moderation zur Vorstellung einer
Literaturzeitschrift ist etwas andres als ein Kabarett zur aktuellen politischen
Situation!
Das war nun schon sehr viel, aber ein wenig muss ich noch
unterbringen:
Es geht mir wirklich auf die Nerven, wie in allen möglichen
Zeitschriften die Sprache verhunzt wird. Dass in angeblichen „Livestyle“
Magazinen es nur so von Anglizismen wimmelt, das gehört dazu, das erwartet die
„urbane Community“ wenn aber im stockkonservativen Alpenverein und dessen
Publikation „Bergauf“ nicht nur in der Werbung der Bergausrüster es von
Softshells und anderen Blödheiten wimmelt, gratis early check ins beworben
werden sondern auch in redaktionellen Texten vom Climbing, hard skills and soft
skills, coole Bergsteigersongs nein aus – mir reichts!
Sind wir Österreicher auch Deutsche? Ein (deutscher)
Kultusminister sagte einmal in einem Interview, eine Nationalkultur definiere
sich ganz einfach durch die Sprache. Nun ja, ich hatte bei einer Lesung in
Berlin (Städtische Bücherei Luisenbad) Zeit und durch das Umherstreife Hunger
bekommen. Was heißt Hunger? Nicht direkt, einfach einen Gusto auf etwas zu
Hineinbeißen. Eine Currywurst - nein danke. Döner? Auch nicht. Ein kleiner
Laden hatte offen. So einen, wo es alles Mögliche gab, eine Metzgerei – auf
österreichisch eine Fleischhauerei. Genau, das mag ich – dachte ich mir. Die
Verkäuferin womöglich bereits beim Zusammenräumen, es war schon knapp von 19h
war vom späten Kunden nicht sehr begeistert, umsomehr als ich darum ersuchte zwei
Wurstsemmeln zu bekommen. „Bitte was? „Na, einfach zwei Semmeln und etwas
Extrawurst oder Schinken hinein“ „Extrawürste braten wir nicht.“ „Gut, geben
Sie mir ca. 15 Deka Schinken, schneiden zwei Semmeln durch und legen die
Schinkenblätter hinein.“ „Sind die 15 Deka nun die 250 Gramm bei uns?“ Ich gab
es – fast – auf, zeigte einfach auf zwei Semmeln oder Weckerln, dass ich noch
ein Essiggurkerl aufgeschnitten gern gehabt hätte und den Schinken in die
Semmeln hineingelegt, das ließ ich bleiben. Ergänzend musste ich noch bemerken,
dass die 15 Deka so ungefähr den üblichen 150 Gramm entsprächen. Den
bevorstehenden Feierabend der Dame wollte ich nicht noch mehr kürzen. Was mir
allerdings komplett abging, in heimischen Fleischhauereien bekomme ich zu
meiner Schinken- oder Wurstsemmel automatisch eine Serviette dazu verpackt,
aber das ist eben dann die andere Leitkultur, dachte ich mir, als ich auf die
Straße hinausging. Und wieder einmal
Karl Kraus zitierend: „es trennt uns nichts mehr als die gemeinsame
Sprache“ suchte ich mir eine U-Bahnstation um zur Lesung noch rechtzeitig zu
kommen.
Aber auch in heimischen Gefilden geht es mir oft nicht gut:
Da hörte ich im ORF in einer Sendung meines geliebten Kultursenders Ö1 einen
Bericht über das Entstehen eines neuen Innviertels in einer Stadt. Bitte, ein
Innviertel? Das ist doch in Oberösterreich und seit 1779 bei Österreich, im Frieden
von Teschen kam es von Bayern zu Österreich und wurde dem Bundesland
Oberösterreich angegliedert. Und nun entsteht in einer Stadt in NRW ein neues
Innviertel? Bis ich beim genauen Hinhören drauf kam, es handelt sich um ein
In-Viertel, als ein Grätzel, einen Stadtbereich, der eine neue Belebung
erfährt, angenommen wird, einfach „In“ ist Das heißt auch nicht, dass es
drinnen wäre. Nein, es ist so, dass Menschen dort einfach hingehen. Weil etwas
los ist (vielleicht), man dort Gleichgesinnte trifft, na egal, einfach halt „IN“
it. Was immer darunter zu verstehen ist.
Einen letzten Absatz noch: Das Reibeisen Nr. 35 das
Kulturmagazin aus Kapfenberg wurde in den letzten Apriltagen in Kapfenberg und
Wien vorgestellt. Das Heft ist hervorragend gestaltet (fast) fehlerlos – aber
das war immer schon ein Markenzeichen des Reibeisens – enthält relativ wenig
Lyrik, diese aber ausgezeichnet, die Prosabeiträge zeichnen sich durch gute
Arbeit aus, während die fremdsprachigen Texte diesmal erweitert um französisch,
bretonisch und okzitanisch wie immer den Europa Anspruch des Literaturkreises
Kapfenberg bestätigen. Eine kleine aber feine Abrundung der Literatur der
österreichischen Nachbarstaaten beschließt die Serie mit dem Fürstentum
Liechtenstein. Dabei wird auch die Geschichte dieses Ministaates so
geschildert, dass der normale österreichische Lese diesen Exoten unter den
Nationalstaaten auch wenig näher kennen lernt. Die Künstlerportraits sind wie
immer sehr sorgfältig – auch in der Wiedergabe der Kunstwerke – ausgearbeitet.
Ein Heft, das diesmal wirkliche Lesefreude bereiten kann! Schade, dass die
Präsentation in Kapfenberg so daneben ging. Es bleibt nur zu hoffen, dass im
Oktober bei der Vorstellung in Graz und in Anwesenheit der französischen
Autoren mehr Sorgfalt für die Vorbereitung und Moderation aufgewendet wird.
Hans Bäck
Kapfenberg
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