Liebe
Literaturfreunde, geschätzte Kollegen!
Es
gäbe diesmal wirklich Stoff für wöchentliche Newsletter. Aber ich will nicht
bei der allgemeinen PR-Schwemme mitmachen. Es schreibt – nein nicht jeder –
aber doch unendlich viele melden sich zu Wort. Das ist gut so, fallweise auch
gut gemeint und manchmal auch unnötig. Doch ich will nicht werten,
klassifizieren. Es soll jeder der meint, etwas sagen zu müssen, das auch tun –
noch ist uns ja die Redefreiheit erhalten geblieben. Und wie ich die
österreichische Literaturszene kenne, werden wir uns auch nicht das Maul
verbieten lassen.
Damit,
meine Verehrten habe ich mir selbst das „Hölzl“ gelegt, das ich brauchte um
einzusteigen. Was/Wen wollen wir Autoren, Schriftsteller, Dichter mit unseren
Worten erreichen? Aufmerksamkeit, klar. Wofür? Für unsere Idee, Gedanken,
Ansichten. Für unsere Überzeugungen. Natürlich, auch die gibt es und niemandem
ist es untersagt, auch eine Ideologie zu vertreten und zu verbreiten! Es gibt
viele Kollegen, die Ideologisches so bringen, dass es als gute Literatur
ankommt. Von jenen, die mit der Fahne (womöglich noch mit irgendeinem Emblem)
herumrennen und lauthals verkünden, wie sie die Welt retten wollen, nun meist
fehlt halt dabei das berühmte „Alzerl’’ um als Literatur anzukommen. Doch das
ist eine andere Geschichte.
Es
ist unglaublich, wenn ich so durch die Löcher und Maschen des word wide web
stöbere, was da als „Literatur“ angeboten und angepriesen wird. Die literarischen
Beiträge zu Cornona sind unzählig! Reich Ranicki verlangte einst in Klagenfurt,
„es müsste in der deutschsprachigen Literatur verboten werden, über die Liebe,
den Vollmond und Venedig zu schreiben“ was würde er heute verbieten? Die
unendliche Anzahl von Gedichten, Geschichten, Essays usw. welche den
menschgemachten Weltuntergang, der anscheinend wohlverdient ist,
herbeischreiben. Die sich in Mitleid und Schuldzuweisungen suhlen, so wie die
Wildschweine im Lainzer Tiergarten im Schlamm.
Muss
das so sein? Haben wir Autoren keine Selbstkritik? Können wir nicht mehr
beurteilen, wenn wir Mist schreiben – nur weil es aktuell ist und die Pandemie
unter den Nägeln brennt?
Es
ist schon so, wir Autoren neigen zu einem gewissen Hochmut, zu einer Arroganz.
Immerhin ist es uns möglich, mit unseren Worten das auszudrücken, wovon wir
glauben, dass es viele Mitmenschen interessiert. Und insgeheim nehmen wir dann
an, die Welt wartet tatsächlich auf unsere geistigen Ergüsse. Womöglich haben
wir auch vor Augen, wen wir ansprechen, erreichen wollen. Um im modernen
Marketing zu sprechen: Unsere Zielgruppe. Nun will ich nicht vermessen und
überheblich werden, und meinen, das was wir schreiben sei immer Kunst, und hat
als solche den Anspruch, sich nicht auf Anhieb zugänglich zu zeigen. Doch etwas
sollten wir uns schon vor Augen halten: je unterschiedlicher die Leser, die
Menschen unsere Texte annehmen und „verstehen“, umso besser ist es doch. Muss
der Leser mit dem Autor einer Meinung sein? Die Auseinandersetzung, die Differenzen
machen doch den Reiz aus. Jeder Mensch soll und kann doch ein Bild, eine
Gedicht, eine Sonate, eine Skulptur sehen, hören, begreifen wie er will. Und
jeder der ein Werk geschaffen hat, wird sich doch darüber freuen, wenn es
unterschiedliche Meinungen dazu gibt. Was ist interessanter als die
Auseinandersetzung über künstlerisches Schaffen!
Köstlich
wird es, wenn Kollegen in der Erinnerungskiste kramen und alle möglichen
Erlebnisse, je weiter zurück, desto lieber (da nicht mehr kontrollierbar???)
aus der Kiste holen. Wie damals in „Zeiten wie diesen“ Probleme Österreichs und
darüber hinaus gelöst wurden, und ein brummiger Kanzler meinte, er sei „der
Meinung“ so ist das nur mehr erheiternd. Ein wenig erinnern mich diese
Schilderungen an die Bücher des unseligen Ernst Jünger, der die Heldentaten des
Ersten Weltkriegs beschrieb kann auch
niemand mehr nachprüfen. Aber was soll es. Zu diesen Zeiten, die heute so
verklärt werden und als das Goldene Zeitalter Österreichs dargestellt, war es
immerhin üblich im Klub 45 sich zu treffen und die Republik aufzuteilen. Da ist
der HC in Ibiza ja nur mehr ein müder Abklatsch gewesen. Im erwähnten Klub
wurden immerhin Morde geplant, durchgeführt, Waffenschiebereien vorgenommen, alles Dinge, von denen die
Armutschkerln in Ibiza vielleicht geträumt haben. Und wer sich die Mühe macht,
im w.w.w. bei Wikipedia nachzusehen, welche illustren Männer der Republik
damals das Sagen hatten (im Klub und in der Republik) kann sich nur wundern,
mit welcher Verklärung diese „Gfraster“ heute dargestellt werden. Ich denke an
einen, der es sogar bis zum Innenminister brachte und vor wenigen Monaten
ehrenvoll ihn die wohlverdiente hochdotierte Politikerpension verabschiedet
wurde. Immerhin mit mehr als 80 Lebensjahren und einem „unermüdlichen Wirken
für die Menschen dieses Landes, für die Kleinen und Zukurzgekommenen“ zum
Speiben ist das – auch im Nachhinein.
All
das kommt mit dem Virus hoch. Und niemand nimmt mehr Anstoß daran. Aktuell sind
Umfrageergebnisse, Videos aus Ibiza. Und dann natürlich der drohende Absturz
des Fremdenverkehrs im Sommer. Wer als literarisch Belesener da nicht an den
Lehrer Zehetbauer aus den letzten Tagen der Menschheit denkt! Mit welchen
Argumenten sollen die Fremden nach Österreich gelockt werden? Massentests der Mitarbeiter
in den Hotels, ausgehängte Virusfrei-Zertifikate an der Hoteltüre? Möglichst
vom TÜV-Süd ausgestellt? In jedem zweiten Leitartikel oder Kommentar zur
Virensituation wird davon geschrieben, dass diese Krise zur Chance umgemünzt
werden soll, denn nichts ist nach Corona so, wie es vorher war. Ah so? Keine
überbesuchten Städte, Dörfer und Sehenswürdigkeiten mehr? Keine Staus und
Zeitkarten für Hallstadt, Cafe Central, Ausstellungen mit time-slot? Keine
Kolonnen auf den Autobahnen zu Ferienbeginn? Keine überhöhten Preise in den
Restaurants bei gesunkenen Qualität, keine unmenschlichen Unterbringungen für
die Mitarbeiter in den Fremdenverkehrsbetrieben, in den Unterkünften für die
Helfer in den verschiedenen Betrieben, die das herstellen, was wir brauchen
aber die Arbeit nicht machen wollen – und sei es nur Essiggurkerl aus den
Feldern klauben. Der Schrei der Gewerkschaft, dem arbeitenden Menschen muss das
Schnitzel weiterhin leistbar sein! Und damit nicht die Erhöhung der Löhne
meint, sondern der Ausbeutung der Schweine, der Bauern, der Arbeitern in den
Schlachtbetrieben, der Natur das Wort redet. Wo bleibt die vielbesprochene
Umkehr nach Corona? Nein, es geht alles gleich weiter. Die Wirte suchen ihr
Personal in den Ländern rund um Österreich, die überforderten Familien holen
ihre Betreuungskräfte für die Alten mit Sonderzügen aus Südosteuropa – während
dort den Kindern keine Schule mehr möglich ist, dort die Alten in furchtbaren
Heimen verrecken müssen. Nein, ich fürchte, wir lernen aus der Krise nichts!
Noch
was zum Jammern und Schimpfen?
Nein,
es gibt genügend positive Geschehnisse. Und die spielen sich – Gott sei Dank –
dort ab, wo die Politik bisher nicht so sehr geachtet hatte. Weil die Politik
sich um die Kultur kaum bis gar nicht gekümmert hatte, ist da einiges passiert,
das durchaus hoffnungsvoll stimmen kann. Ich mag nicht wie der Blinde über die
Farbe sprechen, daher werde ich nur die Literatur heranziehen. Und da ist eine
Explosion an hervorragenden Büchern geschehen, die nachgerade großartig ist!
Jetzt geht es nur noch darum, dass diese Werke auch gelesen werden.
Nein,
liebe Leser, ich schreibe ausnahmsweise nicht von meinem eigenen Buch! Ich
erwähne nur einige Werke, die ich in den Zeiten der Ausgangsbeschränkungen, der
geschlossenen Caféhäuser, der nichtbespielten Konzertsäle usw. gelesen habe.
Ich
beginne ganz bewusst mit einem Buch eines Kapfenbergers, der unsere Stadt zwar
schon vor vielen Jahren verlassen hatte, aber seine Prägung hier nicht
vergessen hat. Michael Scharang hat nach mehrjähriger Pause wieder ein neues
Buch herausgebracht. Endlich, muss ich sagen! Ja, Scharang’s Buch „Aufruhr“ ist
ein Treffer. Daher nur der Hinweis auf der Homepage des
europa-literaturkreis-net ist unter Lesetipps die Rezension nachzulesen! Aber
nicht nur Scharang hat die Ausgehsperre aufgelockert! Auch Valerie Fritsch mit
den „Herzklappen von Johnson&Johnson“, weiters Saša
Štavarić mit „Herkunft“ und Drago Janćar mit dem Roman „Wenn die Liebe ruht“
haben für einen traumhaft schönen Lesefrühling gesorgt. Gott sei Dank, hat die
Buchhändlerin „meines Vertrauens“ rechtzeitig dafür gesorgt, dass sie meine
gewünschten Bücher on-line bestellen konnte, und diese auch ins Haus lieferte.
Vieles ging während der Krisenzeit ganz gut weiter, man musste sich nur zu
helfen wissen!
Damit beende ich diesen newsletter! Es ist noch lange
nicht alles geschrieben, was ich loswerden wollte, aber es muss auch ein Ende
haben.
Bis zum nächsten Mal!
Hans Bäck